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Schwerter und Rosen

Schwerter und Rosen

Titel: Schwerter und Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Hätte er nicht seit frühester Kindheit den Umgang mit Schwert, Lanze und Morgenstern geübt, wäre er inzwischen sicherlich weit hinter die Jüngeren zurückgefallen. Müde wischte er sich mit dem Handrücken über das gerötete Gesicht, auf dem die Sommersprossen auf Nase und Wangenknochen deutlich hervortraten. Als der Schweiß von den blonden Brauen in die Augenwinkel rann, schloss er die Augen einen Moment lang und rieb mit dem schmutzigen Ärmel seiner Cotte darüber.
    »Ich habe dich vorher noch nie kämpfen sehen«, stellte Henry fest, ließ sich ebenfalls ins Gras sinken und blickte Harold von der Seite an. Das noch bartlose, energische Kinn war leicht vorgeschoben. Der schlanke Körper, dessen schlaksige Gliedmaßen erahnen ließen, wie groß der Knabe einmal werden würde, war gespannt wie eine Bogensehne. Der Junge gefiel ihm. Er war aus dem Holz, aus dem Ritter geschnitzt sein sollten: stark mit der Waffe und sanft im Umgang mit Schwächeren. Nachdem er sich mit einer wütenden Bewegung durch den blonden Schopf gefahren war, schnaubte Harold verächtlich. »Das liegt daran, dass ich kaum dazu komme«, knurrte er, bevor er sich bewusst wurde, mit wem er sprach und erschrocken zu Cirencester aufblickte. »Es ist schon in Ordnung«, beruhigte dieser ihn mit einem Zwinkern. »Ich weiß, dass der Earl of Essex ein schwieriger Dienstherr ist.« Er schmunzelte, knickte ein Gänseblümchen ab und begann, die weißen Blütenblätter auszureißen. »Ich habe schon einiges über ihn gehört.« Ungläubig hob Harold erneut den Blick zu dem rothaarigen Kämpen und runzelte die Stirn. »Ich werde einmal mit ihm reden«, erbot sich Henry, warf den kläglichen Rest der Blume über die Schulter und stemmte sich in die Höhe, um sich zu seiner vollen, imponierenden Größe aufzurichten. »Ein Talent wie das deine sollte nicht brachliegen.« Mit einem kurzen Nicken verabschiedete er sich von dem Knaben, der ihm mit offenem Mund hinterherstarrte. Sollte er den Ritter falsch eingeschätzt haben? Hatte er die Verschwörer lediglich ausspioniert?
    Kopfschüttelnd rappelte auch Harold sich auf, um sein dampfendes Pferd abzureiben und zu tränken und sich selbst eine Stärkung in einem der Verpflegungszelte zu holen. Über ihm schimpften aufgeschreckte Spatzen in den Wipfeln der Birken, während in dem kleinen Wäldchen zu seiner Rechten ein Specht hämmernd nach Nahrung suchte. Weit hinten, in eine Senke am Horizont geduckt, lag ein weitläufiges Gehöft, das Harold vorher noch nie aufgefallen war. Trotz der Wärme des Nachmittages schienen die Bewohner zu heizen, da über den Dächern dunkler Rauch aufstieg. Erstaunt kniff Harold die Augen zusammen, und nachdem er den Tanz der Rußsäule einige Atemzüge lang verfolgt hatte, erkannte er erschrocken, dass eines der Gebäude lichterloh in Flammen stand. Was um alles in der Welt mochte dort geschehen sein?, fragte er sich beklommen. Aber bevor er sich weiter den Kopf zermartern konnte, sah er, wie sich eine Schar Berittener von der Gebäudeansammlung löste und scheinbar heiter und ausgelassen die wie winzige Punkte wirkenden Fliehenden zusammentrieb. Mit einem Schaudern griff Harold nach dem Zügel und wandte der grausamen Szene so schnell wie möglich den Rücken. Je länger das Heer der Kreuzfahrer zwischen den sanften Hügeln der Normandie lagerte, desto rastloser wurden die Soldaten. Und so manches Dorf in der näheren Umgebung war inzwischen dem Erdboden gleichgemacht worden.
    Als er seine Stute gefüttert und getränkt hatte, zog sich Harold in den Schatten einer Pappel zurück und nahm eine angefangene Schnitzerei aus der Tasche seiner Cotte. Da er die aufgetragenen Arbeiten so weit erledigt hatte, und Essex auf der Jagd war, konnte er ohne schlechtes Gewissen diesem Zeitvertreib nachgehen und dem bereits erstaunlich ausgearbeiteten Greif den letzten Schliff verleihen. Gerade hatte er die Klinge seines Messers an den Adlerkopf des Fabelwesens gelegt, als die Häscher mit ihrer Beute das Lager erreichten. Weinend und flehend stolperte ein halbes Dutzend nur halb bekleideter Bauernmädchen vor den Pferden der Männer her, die sich – sobald sie abgesessen waren – auf ihren Fang stürzten, um auch den Rest der spärlichen Bekleidung zu zerreißen. Bevor Harold den Blick abwenden konnte, hatten sie die jungen Frauen an den Haaren gepackt und sie in Zelte oder hinter Büsche geschleppt, wo sie sich an ihnen vergingen, während am Horizont langsam die Sonne hinter den

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