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Schwerter und Rosen

Schwerter und Rosen

Titel: Schwerter und Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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hundert Jahre kein Wild mehr geben«, witzelte Henry und ließ den prächtigen Zwölfender, den er vom Rücken seines Hengstes gehievt hatte, schwer auf den ausgetrockneten Boden fallen. »Es dauert nicht mehr lange«, gab Harold mit einem Seitenblick auf den Earl of Essex, der soeben aus seiner Unterkunft getreten war, schüchtern zurück und gab vor, mit dem Wildschwein beschäftigt zu sein.
     
     
    Jerusalem, Jüdisches Viertel, Mai 1190
     
    »Ich muss Euch sprechen, Herr.« In Dajas dunklen Augen lag eine Mischung aus Sorge und Dringlichkeit, als sie dem Juden in der Eingangshalle seines Hauses in den Weg trat und zu ihm aufblickte. Um ihren Mund lag ein entschlossener Zug, und die knochigen Hände waren steif vor ihrer Brust gefaltet. Die schmalen Schultern waren leicht nach vorne gezogen, als müsse sie sich vor etwas ducken, und ihre Stimme bebte. Beinahe ein halbes Jahr lang hatte sie mit sich gerungen, ob sie den Fund auf dem Dachboden erwähnen und das Gespräch auf den von ihr gehegten Verdacht lenken sollte. Aber nachdem der christliche Ritter ein Dauergast in ihrem Hause zu werden schien, sah sie es als ihre Pflicht an, den Kaufherrn darauf anzusprechen. Zu groß war die Gefahr, in der er schwebte, sollte Curd von Stauffen Verdacht schöpfen und sein Vergehen den Hütern des Glaubens melden. Mit gesenkten Lidern wich sie dem Blick seiner grauen Augen aus und folgte seinem breiten Rücken, nachdem er ihr ein ungeduldiges Zeichen gegeben hatte.
    »Ich weiß, es geht mich eigentlich nichts an«, begann sie, nachdem sie dem inzwischen wieder wohlgenährt und kräftig wirkenden Nathan in das Kontor gefolgt war. »Aber denkt Ihr nicht, dass es an der Zeit wäre, Rahel mit einem Juden zu vermählen?« Erst vor zwei Wochen hatte das Mädchen seinen siebzehnten Geburtstag gefeiert, und die Tradition verlangte, dass bis zu diesem Zeitpunkt ein Bräutigam gefunden sein musste. Abwägend zog Nathan die Brauen in die Höhe, betrachtete sie interessiert und nickte schließlich zustimmend. »Du hast Recht, Daja«, versetzte er trocken. »Es geht dich nichts an.« Eine steile Falte trat zwischen seine grauen Augen, als ihm das volle Ausmaß der Unverschämtheit klar wurde, und seine Kiefermuskeln traten mahlend hervor. Gerade wollte er sich abwenden und die kleine, mit Tuchproben und Pergamenten überfüllte Kammer wieder verlassen, als sie ihm den Weg verstellte und mit zusammengekniffenem Mund zu ihm aufblickte. Ihr dürrer Zeigefinger bohrte sich in die kostbar gewandete Brust ihres Herrn, während sie sich hart auf die zitternde Unterlippe biss. »Ich weiß, was Ihr getan habt«, sagte sie leise, zog den edelsteinbesetzten Dolch, den sie in den Mantel gewickelt gefunden hatte, aus den Falten ihres weiten Obergewandes und hielt ihn anklagend in die Höhe. Als Nathan die Waffe erkannte, erbleichte er, wich vor ihr zurück wie vor einer sündigen Versuchung und ließ sich auf einen Schemel fallen. Der Blick seiner geweiteten Augen wanderte von Dajas Gesicht zu dem Messer in ihrer Rechten, bis er schließlich die Lider niederschlug und schwer den Kopf in die Handflächen stützte. »Sie ist die Tochter eines Christen, nicht wahr?«, flüsterte die Frau nach einigen Augenblicken der Stille schließlich. Sorgsam, als könne das Prunkstück zerbrechen, legte sie ihren Fund auf die polierte Oberfläche des Schreibtisches und setzte hinzu: »Das ist auch der Grund, warum Ihr den Templer nicht davon abhaltet, Ihr den Hof zu machen.«
     
     
    Poitiers, Mai 1190
     
    Mit einem ausgelassenen Lachen beobachtete Catherine, wie ihre kleine, gelbe Kugel schon mit dem zweiten Schlag des zierlichen Holzhammers das am Ende des Spielfeldes errichtete Tor erreichte und, ohne es auch nur zu streifen, hindurch kullerte. Triumphierend hob sie ihren Schläger in die Höhe und wirbelte drei Mal im Kreis, sodass die Röcke ihres leichten Bliauds ihrer Bewegung wie ein Kreisel folgten. Die beiden andern jungen Hofdamen, mit denen sie sich in den kleinen Garten der Grafenburg zurückgezogen hatte, um den wunderbaren Frühlingstag für das Jeu du Mail – das Hammerspiel – zu nutzen, verzogen säuerlich das Gesicht. »Das ist jetzt schon das vierte Mal, dass du gewinnst«, beklagte sich die füllige Henrietta, deren vollwangiges Gesicht von der Anstrengung des Spiels gerötet war. Ihre dicken, blonden Zöpfe hatten sich aus der kunstvollen Hochsteckfrisur gelöst und baumelten bis auf ihre ausladenden Hüften hinab. »Ja«, stimmte die

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