Schwerter und Rosen
bedeutete, dass die Zusage Kilidsch Arslans unerlässlich war für die Sicherheit des Zuges. Die nächsten Wochen würden die Kreuzfahrer durch die wasserarme, von nomadisierenden Turkmenen besiedelte anatolische Hochebene führen. Und während sich Barbarossa am anderen Ende des Zeltes dazu herabließ, die Geschenke des Sultans anzunehmen, beschloss Arnfried von Hilgartsberg insgeheim, mehr als nur einen Ersatzschlauch des kostbaren Trinkwassers mit sich zu führen. Zu viele der Kameraden waren dem gnadenlosen Feind bereits erlegen und elendig verdurstet. Er rieb die Knöchel der linken Hand an den Schwielen seiner Rechten. Wenn er es nicht besser wüsste, würde er dem Unken der Fußsoldaten glauben, die immer öfter behaupteten, der Zug stünde unter einem schlechten Stern. Er runzelte die Stirn und schlug verstohlen ein Kreuz vor der Brust. Gott würde dafür sorgen, dass seine Krieger die Heilige Stadt erreichten! Wenn er aufhörte, daran zu glauben, dann konnte er genauso gut kehrtmachen und unverrichteter Dinge nach Hause zurückkehren.
Vor den Stadttoren Akkons, Mai 1190
Der Tag war noch jung, als das Kriegshorn der Christen zum Angriff rief. Da es Salah ad-Din inzwischen gelungen war, die Feinde auf der Landzunge vor der belagerten Stadt mit einem Ring aus Bogenschützen zu umgeben, hatte sich die Streitmacht der Belagerer geteilt. Während der Großteil der Truppen die mächtigen Verteidigungsanlagen der Stadt unter Beschuss nehmen würde, sollte ein etwa zweitausend Mann zählendes Kontingent unter Guy de Lusignan hinter Wallgräben und Palisaden verschanzt den Angriff der Mauren in ihrem Rücken abwehren. Die Schwüle lag bereits wie ein erstickender Mantel über der windstillen Bucht, und um die Köpfe der schwitzenden Männer summten hungrige Stechmücken, die mit ihrem Gift ein tödliches Fieber übertrugen. Das Klirren der Waffen hing seltsam echolos in der flimmernden Luft, die alle Geräusche schluckte, und der Schall der von den Antreibern gebrüllten Befehle schien an einer Mauer aus Hitze und Dunst zu zerbrechen. Lediglich eine Handvoll Möwen erhob sich schimpfend von den Zinnen, als die Verteidiger dort Stellung bezogen, und kreiste eine Weile über den geschäftigen Soldaten, bevor sie etwa eine halbe Meile von der Küste entfernt wasserte.
»Los!« Hunderte von Peitschen knallten, als die Treiber die vor die neu zusammengezimmerten Belagerungsmaschinen gespannten Pferde und Esel antrieben und diese sich in die Geschirre legten. Dank Konrad von Montferrats erfolgreichem Ausflug nach Tyros war der Mangel an Baumaterial behoben, und auch an Zug- und Reittieren herrschte inzwischen kein Mangel mehr. Quietschend und knarrend begannen die riesigen Holzräder der Wandeltürme und Katapulte, sich über die Planken zu bewegen, die einen Großteil des Weges ebneten. Und einem riesigen Heuschreckenschwarm gleich kroch der von Konrad angeführte Teil des Kreuzfahrerheeres auf die Ehrfurcht gebietende Festungsanlage der belagerten Stadt zu. »Die Schilde hoch!« Dem Befehl folgend schnellten beinahe zeitgleich die von den Fußsoldaten getragenen, übermannsgroßen Pavesen in die Höhe. Diese boten den Bogen- und Armbrustschützen Deckung vor den durch die Luft sausenden Geschossen der Belagerten, während die Kolosse unaufhaltsam weiter auf die Befestigungen zutorkelten. Etwa dreihundert Fuß von der vierfachen Ringmauer entfernt, kamen die auf Rollen gelagerten Trebuchets zum Stehen. Derweil emsig hin und her eilende Männer die Schlaufen an den kürzeren Hebelarmen mit schweren Steinkugeln beluden, schoben sich die hölzernen, mit Fallbrücken versehenen Wandeltürme im Schutz des eigenen dichten Pfeilhagels näher an die feindlichen Linien heran.
Dicke Staubwolken wirbelten auf, als die mächtigen Geschosse erste Wunden in die Mauern schlugen. Doch obgleich die Kugeln über zweihundert Pfund wogen, schienen die Beschädigungen lediglich Kratzern gleichzukommen. Trotz des todbringenden Regens aus Pfeilen und Bolzen hatten die Eingeschlossenen inzwischen auch die äußersten Tore bemannt und erwiderten das Feuer. Ein durchdringendes Fanfarensignal brachte den Vormarsch der Türme zum Stehen. Nur noch etwa dreißig Fuß trennten die todesmutigen, durch Eichenschilde geschützten Besatzungen der Belagerungstürme von den feindlichen Zinnen. Als nach einigen Augenblicken die unverkennbaren, kupfernen Mäuler der für gewöhnlich in Seeschlachten benutzten Siphone aus dem vernagelten Inneren
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