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Schwerter und Rosen

Schwerter und Rosen

Titel: Schwerter und Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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schwanden. Da der Sultan sie mit einer Barrikade aus Sandsäcken erfolgreich von dem die Bucht speisenden Fluss Kishon abgeschnitten hatte, war inzwischen beinahe jegliche Hygiene im Lager zusammengebrochen, und viele der Männer litten unter Ruhr, Sumpffieber oder Cholera. Wo man auch ging und stand, stank es nach dem kränklich gelben Kot der abgezehrten Leidenden, nach Erbrochenem, Schweiß und Urin. Angewidert rümpfte Guy die Nase, als er an einem der Lazarettzelte vorbeikam, in dem sich die aus Bremen und Lübeck stammenden Samariter um die von eiternden Beulen und Wunden übersäten Verletzten kümmerten.
    Was hatte er getan, um diese Talfahrt des Rades der Fortuna zu verdienen?, haderte er missmutig mit seinem Schicksal. Hatte er nicht alles in seiner Macht Stehende in die Wege geleitet, um die Heiligen Stätten aus den Klauen des Feindes zu befreien? Betete er nicht täglich für den Erfolg dieses Unternehmens? Die Stagnation der Belagerung allein hätte vermutlich nicht ausgereicht, um ihn in ein solch tiefes Gefühlsloch zu reißen. Doch zusammen mit der alles andere als opportunen Neuigkeit vom Tod des Deutschen Kaisers hatte ihn aus Tripolis die Nachricht erreicht, dass sowohl seine Gemahlin, Sybille, als auch seine beiden Töchter an einem lebensbedrohlichen Leiden erkrankt waren. Was würde geschehen, wenn Sybille starb? Schließlich hatte er das Anrecht auf den Königstitel alleine durch die Heirat mit ihr erworben. Da Konrad inzwischen einen Großteil der Barone und Ritter auf seine Seite gezogen hatte, waren die Aussichten für Guy alles andere als rosig. Seufzend machte er sich auf den Rückweg zu seinem Zelt und beschloss, sich eine Weile auszuruhen.
     
     
    An der Küste zwischen Attalia und Tarsus, Juli 1190
     
    » Der Kaiser wollte die ungewöhnliche Hitze lindern und den Gebirgskamm umgehen. Daher wollte er den reißenden Fluss durchschwimmen. Der Weise sagt: »Du sollst nicht gegen den Strom schwimmen.« Der Kaiser, in anderen Dingen so weise, war so unklug, sich mit der Kraft der Strömung des Flusses zu messen. Obwohl jeder versuchte, ihn davon abzuhalten, ging er in das Wasser und tauchte in einem Strudel unter. Er, der so vielen Gefahren entronnen war, kam elend um.«
     
    Mit einem resignierten Rollen der schmerzenden Schultern ließ Ansbert den Federkiel sinken und betrachtete sein Werk. Ob der Herzog von Schwaben dieses Mal zufrieden sein würde mit dem – bis auf diese eine Stelle – heldenhaft gefärbten Bericht, den er verfasst hatte? Er verzog das Gesicht, als ihm ein beißender Geruch in die Nase stieg. Überall stank es nach Essig und die durch die Zeltleinwand hereindrückende Hitze lag schwer wie ein Leichentuch über dem Heerlager, das unheimlich still unter den knorrigen Zypressen vor sich hin briet. Wenn er dieses Zelt nicht bald verlassen konnte, würde ihn der dröhnende Kopfschmerz um den Verstand bringen. Das koboldhafte Gesicht des dreiundzwanzigjährigen Mönches glänzte vor Schweiß. Von der schlecht gepflegten Tonsur rannen immer wieder dicke Tropfen in den blonden Schopf, wo sie versickerten oder sich einen Weg zu den vor geistiger Erschöpfung und Müdigkeit getrübten Blauaugen suchten. Die schlanken Finger, die Feder und Pergament hielten, waren von eiternden Mückenstichen übersät, und diejenigen der viel zu langen Nägel, die noch nicht abgebrochen waren, bedurften dringend einer Schere. Zwischen seinen nackten Beinen ruhte ein Becher, der mit Zitronensaft gesäuertes Wasser enthielt. Ansbert nahm einen kurzen Schluck daraus, bevor er ihn wieder zwischen die Oberschenkel klemmte, um den Inhalt nicht aus Versehen über seinen Bericht zu schütten.
    Irgendwann hatte der Chronist aufgehört, die Fassungen zu zählen, die nach einer Überprüfung durch den Sohn des ertrunkenen Kaisers als nicht geschichtstauglich abgetan worden und in Flammen aufgegangen waren. Schon bald nachdem der Leichnam des Fünfundsechzigjährigen einige Meilen flussabwärts an Land gespült worden war, hatte die Legendenbildung eingesetzt. Und aus einem vermeidbaren, leichtsinnigen Unfall war ein von Gott gewollter Abgang geworden. Da der Großteil des Heeres den Tod ihres Anführers als einen Wink des Schicksals aufgefasst hatte, war die zuletzt noch an die fünfzigtausend Mann zählende Streitmacht inzwischen auf ein Zehntel dieser Größe zusammengeschmolzen und schwand täglich. Mit Grauen dachte Ansbert an den beschwerlichen Abstieg aus der anatolischen Hochebene zurück, bei

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