Schwerter und Rosen
Burschen gefressen?«, knurrte er, während Harold aus der Gefahrenzone taumelte und sich verstohlen das Blut aus dem Gesicht wischte. »Teilt Ihr auch Euer Lager mit ihm?«
»Nehmt Euch in Acht.« Cirencesters Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Doch die Drohung, die in den Worten lag, ließ Harold das Blut in den Adern erstarren. Um mehr als Haupteslänge überragte der rothaarige Ritter den untersetzten Littlebourne, der unwillkürlich einen Schritt zurückwich, als Henry mit kampfeslustig vorgestrecktem Kinn auf ihn zutrat. »Der Junge hat ein Anrecht auf eine anständige Ausbildung zum Ritter«, stellte er sachlich fest und bohrte den Finger in Littlebournes breite Brust. »Und die scheint er bei Eurem Herrn nicht zu bekommen!« Obschon Littlebourne die Hand des anderen am liebsten weggeschlagen hätte, hielt er den Reflex im Zaum und schluckte. »Ihr könnt Essex ausrichten, dass ich mich in Zukunft um die Waffenübungen seines Knappen kümmern werde«, fuhr Cirencester, der wie beiläufig die Schultern straffte, ruhig fort. »Wenn er ein Problem damit hat, dann soll er sich an mich wenden.« Die mächtigen Kiefer des unterlegenen Ritters mahlten unter der sonnengebräunten Haut, und die grobschlächtigen Hände ballten sich an seiner Seite zu Fäusten. Mit einem Blick, der – so hoffte Harold – an Cirencester adressiert war, nickte John of Littlebourne langsam und trat mit Gewittermiene den Rückzug in Richtung Feldlager an. »Ich bringe ihn zu Euch, sobald wir hier fertig sind«, schickte der rothaarige Kämpe dem Davonziehenden hinterher und legte Harold eine seiner Pranken auf die Schulter. »Ich hoffe, ich habe dich jetzt nicht in Teufels Küche gebracht.« Harold wischte sich das Blut am Ärmel seiner Cotte ab. Das hoffte er auch!
Im Gebirge zwischen Ikonion und der anatolischen Küste, Juni 1190
»Ich bitte Euch, Herr, tut das nicht«, drängte Ansbert, der zwar genauso wie die anderen unter der unmenschlichen Hitze litt, in der sich das Heer in mehreren Abteilungen die steilen Abhänge zum Meer hinab kämpfte. Doch das Vorhaben des Kaisers grenzte an Wahnsinn. Nach dem Tod Friedrichs von Hausen war den Kreuzfahrern nicht viel Zeit zum Trauern geblieben, da sie nur wenige Meilen weiter auf eine riesige türkische Armee gestoßen waren. Nach einer für die Türken verheerenden Schlacht, in der die Deutschen trotz des unter ihnen wütenden Hungers einen überlegenen Sieg davongetragen hatten, hatte Barbarossa voller Zorn beschlossen, die Hauptstadt des Reiches, Ikonion, einzunehmen, um Wasser und Lebensmittel zu erbeuten und dem Sultan eine Lektion zu erteilen. Beinahe alle Einwohner der Stadt waren bei dem Sturmangriff niedergemetzelt worden. Und hätte der Sultan nicht eingelenkt und Geiseln und Märkte versprochen, die den Kreuzfahrern eine sichere Weiterreise garantierten, hätte Barbarossa auch die Zitadelle der Stadt, in der sich Kilidsch Arslan mit seiner Familie verschanzt hatte, niederreißen lassen.
Nun befand sich das Heer in dem von armenischen Christen bewohnten Teil des Gebirges, dessen Überschreitung sich jedoch als schwieriger erwies als befürchtet. Seit Tagen brannte die erbarmungslose Sonne von einem wolkenlosen, azurblauen Himmel, der eine Steinwüste überspannte, deren Ausmaße grenzenlos zu sein schienen. Über den Gipfeln der abweisenden Berge hing ein milchiger Dunst, in dem sich die erstaunlichsten Dinge spiegelten. Flimmernde Frauengestalten lösten saftige Braten und plätschernde Bäche ab, je nach Phantasie desjenigen, dem die Täuschung der Fata Morgana die sehnlichsten Wünsche vorgaukelte. Mehrere Ritter waren bereits mit einem Hitzschlag wie tot aus dem Sattel gestürzt, und die meisten der Bewaffneten hatten leichtsinnigerweise Rüstungen und Panzer abgelegt, um nicht wie Kesselfleisch unter dem schweren Blech zu sieden. Nach Überwindung eines schroffen Kammes hatte der Zug schließlich ein Gebirgstal erreicht, durch das sich ein zwar seichter, aber reißender Fluss wand, in dem der Kaiser sich – entgegen allen Warnungen seines Chronisten – erfrischen wollte. »Es ist gefährlich, Herr«, versuchte Ansbert erneut, den sturen Barbarossa von dem Bad in den eiskalten Fluten abzuhalten. Aber dieser winkte mit einem verächtlichen Knurren ab und begann, Helm und Stiefel abzulegen, um nur mit seinem Brustpanzer bekleidet in das von großen, weißen Kieseln übersäte Flussbett zu waten.
Kaum sahen die anderen erhitzten Männer, was ihr Anführer
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