Schwerter und Rosen
wurde von einer dunkelgrünen Schärpe zusammengehalten, und die bis auf den roten Kragen hinabfallenden Hängebacken wackelten bei jedem Wort. Alle Farbe wich aus dem Gesicht des Juden, als dieser sich bemühte, Haltung zu bewahren und das Zittern, das von seinem Körper Besitz ergreifen wollte, zu unterdrücken. »Daher hat er beschlossen, das Vermögen der Kaufherren der Stadt kurzfristig als Staatsanleihe zu beschlagnahmen.« Die scheppernde Stimme des Wesirs hatte einen schadenfrohen Unterton angenommen. Nachdem er der verschwörerisch lächelnden Shahzadi einen kurzen Blick zugeworfen hatte, wandte er sich zurück an die beiden Vorgeladenen, um sich an dem Schauspiel auf ihren Zügen zu weiden. Dass Salah ad-Din nichts von der Aktion seiner Schwester wusste, beunruhigte ihn nicht im Geringsten, hatte doch die Vergangenheit gezeigt, dass sie der weitaus bessere Finanzverwalter war als dieser selbst. »Ihr habt eine Woche Zeit, Eure Ware zu Gold zu machen und es beim Schatzmeister abzuliefern«, vollendete er die Hiobsbotschaft mit einer knappen Handbewegung in Richtung der sich in einer Ecke stapelnden Geldsäcke. Nathan, der Mühe hatte, den Blick von den Reichtümern zu lösen, schluckte trocken, bevor er tonlos an Shahzadi gerichtet erwiderte: »Hoheit, ich habe selbst kaum mehr genug Geld zum Überleben.« Als sie ihm erbost ins Wort fallen wollte, sank er auf die Knie und hob bittend die Hände, um hinzuzusetzen: »Erst vor Kurzem musste ich mein Leben durch ein Lösegeld erkaufen.« Er schöpfte tief Atem. »Und mein Tuchlager ist vor beinahe einem Jahr vollkommen abgebrannt.« Wütend sprang die Schwester des Sultans auf die Beine, baute sich vor ihm auf und herrschte ihn an: »Wollt Ihr Euch einem Befehl Salah ad-Dins widersetzen?«, zischte sie. Als Nathan nichts darauf erwiderte, winkte sie die an der Tür postierten Wachen heran, denen sie ein Zeichen gab, den Juden grob auf die Füße zu zerren.
»Halt!« Mit einem zornigen Stirnrunzeln trat Curd von Stauffen zwischen die Männer und legte die Hand auf Nathans Arm. »Er wird das Geld auftreiben«, versprach er an den Großwesir gewandt, während die Prinzessin ihn mit einer Mischung aus Ärger und Interesse in Augenschein nahm. Zoll für Zoll tasteten ihre Augen die dunklen Locken, den Schnitt seines Profils und seinen Körperbau ab, bevor sie sich al-Hassan, dem Wesir, zuwandte und diesen in eine der Nischen winkte. Nach einem scheinbar endlosen, geflüsterten Austausch zwischen dem Großwesir und der aufgebrachten Shahzadi, trat al-Hassan schließlich mit einem erleichterten Ausdruck auf den feisten Zügen auf die vier Männer zu und bedeutete den Wachen, den erschrockenen Kaufmann loszulassen. »Geht«, befahl er kurz. »Wir erwarten Eure Zahlung am nächsten yaum ath-thalatha, am Dienstag. «
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Als die letzten in die Zitadelle befohlenen Männer sich auf den Heimweg gemacht hatten, drehte Shahzadi, die sich in ihre Privatgemächer zurückgezogen hatte, versonnen eine Miniatur ihres jüngsten Bruders, al-Adil, in den schlanken Händen hin und her. Das also war der Grund, warum Salah ad-Din den jungen Tempelritter begnadigt hatte! Die Ähnlichkeit war wirklich verblüffend! Nachdem sie das Gemälde noch einige Augenblicke lang liebevoll gemustert hatte, stellte sie es auf einem der kostbar geschnitzten Tischchen ab und löste den Schleier. Nur der eindringliche Rat des Wesirs hatte sie davon abgehalten, den unverschämten Juden auf der Stelle gefangen zu setzen und seine Habe zu beschlagnahmen. Doch mit nicht von der Hand zu weisenden Argumenten hatte der weise alte Berater ihr vorgeschlagen, nach subtileren Lösungen zu suchen. Und die hatte sie bereits einen halben Tag nach der Unterredung mit dem Juden gefunden. Ihrem Kundschafter zufolge hatte der Mann eine Tochter, die er über alles zu lieben schien. Was würde er nicht alles auf sich nehmen, um das Leben dieses unschuldigen Kindes zu schützen? Lächelnd schlüpfte Shahzadi aus dem raschelnden Obergewand und streifte das durchsichtige Unterkleid ab, um sich in die Arme ihres bereits wartenden Gespielen zu begeben.
Vézelay, Juli 1190
Zu beiden Seiten des malerischen Cure-Tales erhoben sich mächtige Weinberge, deren Ausdehnung den Eindruck vermittelte, das gesamte Königreich mit dem Rebensaft, für den die Gegend berühmt war, versorgen zu können. Im Süden zeichnete sich der dicht bewaldete Morvan, der schwarze Berg, von dem königsblauen Himmel ab, den an diesem
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