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Schwerter und Rosen

Schwerter und Rosen

Titel: Schwerter und Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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musikalisches und dichterisches Kunstwerk verwandeln konnte, das dem Zuhörer Tränen in die Augen trieb. Richard seufzte und schob das verschwitzte Haar aus der Stirn, bevor er eine rot-gelbe Coiffe auf den Kopf setzte und sich bückte, um die leichten Stiefel zu schnüren. Er würde sich ein wenig am Fluss erfrischen und den Männern beim Baden zusehen – vielleicht brachte ihn das auf andere Gedanken.
    »Du musst gehen«, befahl er Devizes, der ihn immer noch mit waidwundem Blick betrachtete, und reichte ihm versöhnlich die Hand, um ihm aufzuhelfen. Elegant kam der splitternackte Mönch auf die Beine, zog das leichte Obergewand über den Kopf und schlich nach einem letzten Blick auf den abwesend an ihm vorbeistarrenden Löwenherz aus dem Zelt. Bevor Richard am nächsten Tag mit dem Teil seiner Streitmacht, der auf der Höhe von Clermont an Land gegangen und in Poitiers zu seiner Abordnung gestoßen war, aufbrach, mussten noch etliche Dinge geklärt werden – darunter auch der Zeitplan für die nächsten Wochen und Monate. Wenn nichts dazwischen kam, rechnete er damit, in spätestens einem halben Jahr die Küste von Palästina erreicht zu haben, von wo aus er zuerst nach Akkon und dann – ohne Unterlass – nach Jerusalem vorstoßen würde. Noch immer weigerte er sich, den Gerüchten, die vor wenigen Tagen Frankreich erreicht hatten, Glauben zu schenken, da ihnen zufolge die Kreuzfahrt des Deutschen Kaisers gescheitert sein sollte. Angeblich war der zwar betagte, aber noch äußerst streitbare Barbarossa beim Baden in einem Gebirgsbach ertrunken. Aber das konnte schlicht und einfach nicht der Wahrheit entsprechen! Mit einem letzten Blick auf die zerwühlten Felle straffte er die mächtigen Schultern und trat hinaus ins Freie.
     
     
    Jerusalem, Jüdisches Viertel, Juli 1190
     
    »Ihr müsst fliehen, Vater«, drängte Rahel ihren Ziehvater zum wiederholten Mal mit vor Sorge geweiteten Augen. Das schlichte Gewand, das ihre schlanke Figur unterstrich, war an der Vorderseite, die sie ununterbrochen mit ihren Fingern bearbeitete, faltig und zerknittert. Und auch die ansonsten makellos geflochtenen Zöpfe wirkten aufgelöst und mitgenommen. Seit seiner Rückkehr aus dem Palast vor zwei Tagen hatte sie ihn immer wieder angefleht, sein Leben zu retten und die Stadt zu verlassen, da die Frist von einer Woche mit rasender Geschwindigkeit zu verrinnen schien, ohne dass sich eine Lösung für das Dilemma, in dem sich der Jude befand, auftun wollte. »Nehmt keine Rücksicht auf mich.« Mit blassem Gesicht ließ sie sich auf einem niedrigen Schemelchen zu seiner Linken nieder und ergriff seine Hand, die mechanisch über die Kugeln eines Abakusses glitt, als ob das Hin- und Herschieben der Rechensteine das Problem aus der Welt schaffen könnte. »Curd wird sich um mich kümmern«, sagte sie eindringlich, sprang wieder auf und trat an das kleine, vergitterte Fenster in Nathans Rücken.
    Auf dem Platz vor dem Haus des Kaufmannes herrschte reges Treiben, da alle Händler der Stadt ihre Karawanen zurückgerufen hatten, um der Forderung der Prinzessin Folge zu leisten. Auf den Höckern der geduldig wartenden Kamele stapelten sich kostbare Stoffe, seltene Gewürze, kunstvoll geknüpfte Teppiche und Säcke voller Gold und Silber. Bewacht von bis an die Zähne bewaffneten Männern, zogen die Tiere durch die Stadt in Richtung Zitadelle, aus der sie wenig später mit leeren Holzgestellen an den Flanken wieder auftauchten. Die Mienen ihrer Besitzer spiegelten die gesamte Bandbreite negativer Gefühle wider. Und als Rahels Blick einem mageren Burschen folgte, der offensichtlich seine letzte Habe zu Geld gemacht hatte, stiegen Wut und Hass auf die Willkür Shahzadis in ihr auf. Wer gab dieser Frau das Recht, die hart arbeitende Bevölkerung der Stadt bis aufs Blut zu schröpfen?, fragte sie sich verbittert, schalt sich jedoch im gleichen Atemzug eine Närrin, da die Antwort auf der Hand lag. Wer die Macht hatte, einen solchen Befehl auszusprechen, dem gab auch das Gesetz recht, ganz egal wie unmoralisch und verwerflich sein Tun war.
    »Sie werden Euch festnehmen lassen, wenn Ihr das Gold nicht liefert«, versetzte sie nach einigen Augenblicken des Schweigens nüchtern und starrte auf die in der Sonne gleißende Kuppel des Felsendoms, der sich majestätisch über den Dächern der Stadt erhob. Nathan, der immer noch brütend an seinem Schreibtisch saß, brummte etwas Unverständliches, schob das Rechenbrett von sich und erhob sich mit

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