Schwerter-Zylus 02 - Schwerter und Teufelei
kam ihm wie ein Flitterwerk vor, seines Interesses nicht mehr würdig. Er war froh, daß er Hringorl und Essedinex einen Streich gespielt hatte, aber sie waren nicht wichtig. Er selbst war ein einsames Gespenst, dazu verdammt, in der Eis-Öde herumzugeistern.
Er überlegte, ob er nach Norden durch die Wälder ziehen sollte, bis er ein neues Leben fand oder auch erfror; er spielte mit dem Gedanken, seine Skier zu holen und die verbotene Schlucht zu überspringen, die Skifs Tod gewesen war, oder sich ein Schwert zu beschaffen und Hringorls Streiter zum Kampf zu reizen. Hundert andere Herausforderungen des Schicksals fielen ihm ein.
Die Zelte des Schnee-Clans wirkten wie bleiche Pilze im Licht des verrückt leuchtenden Mondes. Einige hatten ein konisches Dach auf gedrungenem Kegel, andere wirkten wie aufgeblasene Halbkugeln, wie im Boden steckende Rüben. Gleich Pilzen berührten sie an den Rändern nicht den Schnee. Ihre Böden aus aufgestapelten Ästen und Fellen ruhten auf mächtigen Holzpfosten, so daß die Hitze des Zeltes den darunterliegenden gefrorenen Boden nicht erreichen konnte.
Der riesige silbrige Stamm einer toten Schneeiche, die etwa die Form eines gebrochenen Riesenfingernagels hatte – dort, wo ein Blitzstrahl sie vor Urzeiten auf halber Höhe gespalten hatte – kennzeichnete Mors und Fafhrds Zelt und auch die Lage des Grabes seines Vaters, auf dem das Zelt in jedem Jahr errichtet wurde.
In einigen Zelten war noch Licht, ebenso wie im großen Frauenzelt, das auf der anderen Seite, zur Gotteshalle hin, wachte; doch es schien niemand mehr unterwegs zu sein. Mit entmutigtem Seufzen machte er sich auf den Heimweg. Dann fielen ihm die Raketen ein, und er steuerte auf die tote Eiche zu. Ihre Oberfläche war glatt, die Rinde längst abgeschält. Die wenigen verbliebenen Äste waren ebenfalls glatt und abgesplittert, und der niedrigste schien außer Reichweite zu sein.
Einige Schritte entfernt hielt er inne und sah sich noch einmal um. Nachdem er sich vergewissert hatte, daß niemand in der Nähe war, rannte er auf die Eiche zu und tat einen senkrechten Leopardensprung, packte mit der freien Hand den niedrigsten Ast und schwang sich hinauf, ehe der Aufwärtsschwung völlig verloren war.
Dann stand er auf dem toten Ast und stützte sich leicht am Baumstamm ab und hielt ein letztes Mal Ausschau nach Zuschauern und Spätheimkehrern. Schließlich drückten seine Finger zu, seine Fingernägel gruben sich ein, und in dem scheinbar fugenlosen grauen Holz öffnete sich eine Tür, die so groß war wie er, doch kaum halb so breit. Er tastete sich an Skiern und Skistöcken vorbei und stieß auf einen langen schmalen, in leicht geölte Seehundsfelle gewickelten Gegenstand. Das Tuch gab den Blick frei auf einen mächtig aussehenden Bogen und eine Reihe langer Pfeile. Er legte die Raketen in das Bündel, schlug das Tuch wieder darum, schloß die seltsame Tür seines Baumverstecks und ließ sich wieder in den Schnee fallen, den er sorgfältig glattstrich.
Als er sein Wohnzelt betrat, kam er sich wieder wie ein Gespenst vor und versuchte entsprechend leise aufzutreten. Die bekannten Gerüche beruhigten ihn gegen seinen Willen – es duftete nach Fleisch, kaltem Rauch, Häuten, Schweiß, nach dem Nachttopf; dazu Mors leichter süß-saurer Körpergeruch. Er ging über den nachgebenden Boden auf seine Schlafpelze zu und ließ sich bekleidet darauf nieder. Er war todmüde. Es herrschte absolute Stille. Mors Atem war nicht zu hören.
Er dachte daran, wie er zum letztenmal seinen Vater gesehen hatte, blau angelaufen und mit geschlossenen Augen, sein bestes Schwert blank neben ihm, die grauen Finger um den Griff geschlossen. Er dachte an Nalgron, der jetzt in der Erde unter dem Zelt lag, von den Würmern zu einem Skelett zerfressen, das Schwert verrostet, die Augen geöffnet – leere Höhlen, die durch die dichtgepackte Erde nach oben starrten. Er erinnerte sich auch noch an den Moment, da er seinen Vater zum letztenmal lebend gesehen hatte: ein großer davonmarschierender Wolfsfellmantel, gefolgt von Mors heftigen Warnungen und Drohungen. Dann mußte er wieder an das Skelett denken. Es war eine Nacht der Gespenster.
»Fafhrd?« rief Mor leise von der anderen Seite des Zeltes.
Fafhrd erstarrte und hielt den Atem an. Als er es nicht mehr aushielt, ließ er die Luft langsam aus und atmete mit offenem Mund lautlos wieder ein.
»Fafhrd?« Die Stimme war ein wenig lauter, obwohl sie immer noch etwas Gespenstisches an sich
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