Schwerter-Zylus 04 - Schwerter gegen Zauberei
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Langsam näherte sich die Bahre durch eine schmale Gasse aus Leibern dem Scheiterhaufen. Der tote Körper Quarmals saß aufrecht, so daß er nun, während die Mädchen unter der ungewohnten Last dahintaumelten, hin und her schwankte, als ob er lebte. Er war in Roben aus purpurner Seide gekleidet, und auf seiner Stirn leuchtete das goldene Band des quarmallischen Herrscherhauses. Seine hageren Hände, die noch vor kurzem aktiv gewesen waren in der Ausübung seiner Magie, waren steif über dem Zauberbuch gefaltet, das ein ganzes Leben hindurch seine Bibel gewesen war. An sein Handgelenk war ein großer Falke gekettet, dem man den Kopf verhüllt hatte, und zu seinen Füßen lag Quarmals Lieblingsleopard, reglos, tot. Die einst furchterweckenden Augen Quarmals waren von wachsähnlichen Lidern verdeckt – sie, die soviel Leid und Tod gesehen hatten, waren nun für immer geschlossen.
Obwohl sich Brillas Gedanken noch immer mit Kewissa beschäftigten, redete er den anderen Mädchen Mut zu, als sie an ihm vorbeikamen, und eine lächelte ihm sogar gequält zu; sie alle wußten, daß es eine Ehre war, ihren Herrn in die Zukunft zu begleiten, doch keine wünschte sich das besonders. Sie konnten aber nichts dagegen tun und mußten sich den Anweisungen fügen. Brilla bedauerte sie alle; sie waren so jung und hatten herrliche Körper, mit denen sie einem Mann viel Freude schenken konnten, denn er hatte sie gut ausgebildet. Aber die Tradition war nicht zu umgehen. Wie war nur Kewissa ...? Brilla unterbrach seine Spekulationen.
Die Bahre wurde die Rampe hinaufgetragen. Das Singen wurde lauter und schneller, als die sechs Mädchen die Plattform erreichten. Die Sonnenstrahlen, die nun voll in das tote Gesicht Quarmals schienen, als die Bahre herumgedreht wurde, schimmerte hell auf dem Haar und der weißen Haut der lankhmarischen Sklavenmädchen, die sich nun mit den Mingolfrauen zu Füßen Quarmals hinwarfen.
Plötzlich ließ Flindach die Arme sinken, und Stille trat ein – eine so vollkommene Stille, daß sie körperliches Unbehagen hervorrief.
Gwaay und Hasjarl rührten sich nicht. Sie nahmen den Blick nicht von der Gestalt, die einmal ihr Vater gewesen war, Herrscher von Quarmall.
Wieder hob Flindach die Arme, und aus einem Tor auf der anderen Hofseite sprangen acht Männer. Jeder trug eine Fackel und war bis auf eine purpurne Kapuze, die sein Gesicht bedeckte, nackt. Begleitet von lauten Gongschlägen hasteten sie auf den Scheiterhaufen zu – zwei auf jeder Seite – stießen ihre Fackeln in das präparierte Holz, stürzten über die aufschießenden Flammen, hasteten zur Plattform hoch und umarmten wollüstig die Sklavenmädchen.
Blitzschnell fraßen sich die Flammen in das trockene und mit Öl durchtränkte Holz. Einen Augenblick lang waren durch den dicken Rauch die sich windenden Gestalten der Sklaven zu sehen und dahinter die hagere Gestalt des toten Quarmal, der durch seine geschlossenen Lider direkt in die Sonne starrte. Dann, alarmiert durch die Hitze und den beißenden Rauch, kreischte der große Falke auf und erhob sich flatternd vom Handgelenk seines Herrn.
Die Ketten hielten; doch alle sahen, wie der Arm Quarmals in einer letzten Abschiedsgeste angehoben wurde, ehe der Rauch das Bild völlig verhüllte.
Der Gesang erreichte einen Höhepunkt und endete abrupt, als Flindach das Zeichen gab, daß die Feier zu Ende wäre.
Als die gierigen Flammen den Scheiterhaufen und seine Last einhüllten, brach Hasjarl das lange Schweigen, das die Tradition ihm auferlegt hatte. Er befingerte sein kostbares Szepter und wandte sich mit sehr bösem Lächeln an seinen Bruder.
»Ha! Gwaay, wie schön es gewesen wäre, wenn du da in den Flammen gesteckt hättest. Fast so schön wie die letzte Todesgeste unseres Vaters.
Geh schnell, Bruder! Noch hast du Gelegenheit, dich selbst umzubringen und Ruhm und Unsterblichkeit zu erringen!« Er kicherte böse.
Gwaay hatte gerade einem Pagen in seiner Nähe ein unauffälliges Zeichen gegeben, und der Junge hastete fort. Der junge Herrscher der Unteren Regionen war von dem unpassenden Spott seines Bruders alles andere als erbaut, doch lächelnd und achselzuckend erwiderte er: »Ich suche meinen Tod auf weniger schmerzhafte Weise. Und doch ist der Gedanke nicht schlecht; ich werde ihn mir merken.« Mit tiefer werdender Stimme fuhr er fort: »Es wäre besser, daß wir beide totgeboren wären, anstatt unser Leben in nutzlosem Haß zu zerstören.
Ich werde dein Traumpulver und deinen
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