Schwerter-Zylus 04 - Schwerter gegen Zauberei
nicht so überrascht gewesen wäre – das war auch noch die Frage.
Um den langen Tisch, an dessen unterem Ende er stand, saß niemand mehr. Wo sich noch eben elf der größten Zauberer Quarmalls aufgehalten hatten – Zauberer Ersten Ranges, wie jeder von ihnen auf sein schwarzes Zauberbuch geschworen hatte –, breitete sich jetzt nur Leere aus.
Der Mausling rief leise. Vielleicht hatte die Majestät seiner furchteinflößenden lankhmarischen Schau diese Provinztypen erschreckt und sie unter den Tisch verjagt. Doch er erhielt keine Antwort.
Er rief lauter. Doch da war nur das endlose Ächzen der Belüftungsräder, das er nach vier Tagen allerdings kaum lauter hörte als das Summen des eigenen Blutes in seinen Ohren. Achselzuckend ließ sich der Mausling in seinen Stuhl sinken. Er murmelte vor sich hin: »Wenn die alten Gerippe weggelaufen sind, was dann? Wenn nun alle Krieger Gwaays die Flucht ergreifen – was tun?«
Und als er zu überlegen begann, welche Maßnahmen er in einem solchen Falle aus dem Nichts ergreifen müßte, fiel sein Blick zufällig auf den breiten hochlehnigen Stuhl unmittelbar neben ihm, in dem der beherzteste der Magier gesessen hatte, eine Art Sprecher der Versammlung. Wo er gesessen hatte, lag jetzt ein zusammengefallener weißer Lendenschurz – und darin entdeckte der Mausling etwas, das ihn zusammenfahren ließ. Ein kleiner Haufen lockerer grauer Staub!
Der Mausling pfiff leise durch die Zähne und stand auf, um auch die übrigen Sitze zu überschauen. Es war überall dasselbe: ein sauberer Lendenschurz, ein wenig zerknittert, als wäre er kurze Zeit getragen worden, und in den Tüchern ein Häufchen graues Pulver.
Am anderen Tischende rollte einer der schwarzen Spielsteine des Gedankenspiels, der hochkant gestanden hatte, vom Spielbrett und fiel mit leisem Klicken zu Boden. Das Geräusch kam dem Mausling gewaltig vor, wie das letzte Geräusch auf der Welt.
Leise stand er auf und näherte sich in seinen Rattenleder-Mokassins leise dem nächsten Torbogen, den er zuvor mit einem Ledervorhang verschlossen hatte, um bei seinem Zauberwerk ungestört zu sein. Er fragte sich, welche Reichweite sein Spruch nun wirklich gehabt hatte, wo die Grenze gewesen war, wenn es überhaupt eine gab. Wenn nun Sheelba die Wirkung seines Zaubers unterschätzt hatte und nun nicht nur Zauberer aufgelöst worden waren, sondern auch ...
Der Mausling blieb vor dem Vorhang stehen und warf einen letzten Blick über die Schulter zurück. Dann zuckte er die Achseln, rückte seinen Schwertgürtel zurecht, setzte ein Grinsen auf, das wirklich nicht seiner augenblicklichen Stimmung entsprach, und sagte ins Leere: »Sie hatten mir hoch und heilig versichert, daß sie Zauberer Ersten Ranges wären.«
Als er die Hand nach dem reich bestickten Vorhang ausstreckte, geriet das Gewebe in Bewegung. Der Mausling erstarrte, das Herz klopfte ihm bis in den Hals. Dann teilte sich der Vorhang ein wenig, und Ivivis' hübsches Gesicht erschien. Das Mädchen sah sich mit aufgerissenen Augen neugierig um.
»Hat dein toller Zauber gewirkt, Mausling?« flüsterte sie schüchtern.
Er atmete erleichtert auf. »Na, du hast ihn jedenfalls überlebt«, sagte er, hob den Arm und zog sie an sich. Ihr schlanker Körper, der sich an ihn drückte, fühlte sich sehr gut an. Gewiß, in diesem Augenblick wäre ihm fast jedes lebendige Wesen recht gewesen, doch daß nun ausgerechnet Ivivis zu ihm gekommen war, mußte er einfach ausnutzen.
»Meine Liebe«, sagte er ernst. »Ich hatte fast das Gefühl, der letzte Mann auf der Erde zu sein. Aber jetzt ...«
»Und du hast dich benommen, als wäre ich das letzte Mädchen, das du nach einem Jahr der Enthaltsamkeit gefunden hast«, erwiderte sie knapp. »Jetzt ist nicht der rechte Moment für liebevolle Trostsprüche und Intimitäten«, fuhr sie fort, und stieß ihn in Verkennung seiner Absichten von sich.
»Hast du Hasjarls Zauberer erledigt?« wollte sie dann wissen und starrte ihn nicht ohne Bewunderung an.
»Ja, Zauberer haben daran glauben müssen«, erwiderte der Mausling zweideutig. »Wie viele es geworden sind, weiß ich noch nicht.«
»Wo sind Gwaays Magier?« fragte sie und schaute am Mausling vorbei auf die leeren Stühle. »Hat er sie alle mitgenommen?«
»Ist Gwaay vom Begräbnis seines Vaters noch nicht zurück?« konterte der Mausling und wich ihrer Frage aus, doch als sie den Blick nicht von ihm nahm, fuhr er leichthin fort: »Seine Zauberer sind an einem angenehmen Ort –
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