Schwerter-Zylus 06 - Die Schwerter von Lankhmar
so freundlich zu ihm war, um ihn unvorsichtig zu machen, und dann zu ermorden – aber später kam er zu dem Schluß, daß Leben und Tod bei den Geistern kaum in hohem Ansehen standen, zumal sie ohnehin schon wie Skelette aussahen.
Die graue Mingolmähre warf den Kopf hoch und wieherte.
Eine Meile oder höher schwebte ein schwarzer Albatros dahin. Von seinem Rücken löste sich eine Fledermaus und begann wie ein belebtes schwarzes Blatt langsam zu Boden zu flattern.
Fafhrd streckte den Arm aus und fuhr mit den Fingern durch Kreeshkas unsichtbares schulterlanges Haar. »Kleiner Knochen«, sagte er, »warum nennst du mich Verschwommener?«
Sie antwortete leise: »Ihr kommt uns, die wir eine durchsichtige Haut haben, sehr verschwommen vor. Unsere Knochen treten klar hervor, und Knochen sind schön. Man muß sie sehen!« Sie streichelte das Haar auf seiner Brust.
»Da bin ich ja ein Glückspilz, daß du Gefallen an mir findest.« Lauter fuhr er fort: »Sag mir, Kleiner Knochen, wo hast du nur die lankhmarische Sprache gelernt?«
»Dummer Verschwommener«, erwiderte sie. »Es ist unsere Muttersprache – aus der Zeit vor über einem Jahrtausend, da sich Lankhmars Reich von Quarmall bis zum Trollgebirge und von Erd-Ende bis zum See der Ungeheuer erstreckte, da Kvarch Nar noch Hwarshmar hieß und wir einsamen Geister nur Friedhofsräuber waren.«
Er nahm seinen Arm zurück und starrte in ihre schwarzen Augenhöhlen. Sie stieß ein leises Wimmern aus und fuhr ihm mit den Fingern sanft über den Körper. Fafhrd widerstand der Versuchung und fragte: »Sag mir, Kleiner Knochen, wie kannst du überhaupt etwas sehen, wenn das Licht durch dich hindurchgeht? Siehst du mit der Innenseite deines Schädelknochens?«
»Fragen, Fragen, Fragen«, stöhnte sie und legte die Hand auf seine Schulter. »Komm, sei mein verschwommener Prinz.«
Er starrte auf ihren Schädel und die schwarzen Augenhöhlen und erinnerte sich an die Prophezeiung einer Weisen Frau, die ihm einmal gesagt hatte, er und der Mausling wären in den Tod verliebt. Also, das stimmte, zumindest in seinem Fall, mußte sich Fafhrd eingestehen, als Kreeshkas Arme ihn herabziehen wollten.
In diesem Augenblick ertönte ein schrilles Pfeifen, das fast nicht mehr zu hören war, das ihnen aber wie eine Nadel in die Ohren stach. Fafhrd fuhr auf, Kreeshka hob hastig den Kopf, und sie sahen, daß sie nicht mehr nur von der Mingolmähre beobachtet wurden, sondern auch von einer Fledermaus, die am Dornenbaum hing.
Von einer seltsamen Vorahnung erfüllt, hielt Fafhrd dem kopfstehenden schwarzen Wesen einen Finger hin, das sofort herbeiflatterte und sich an seine Hand klammerte. Fafhrd zog eine winzige schwarze Pergamentrolle vom Bein des Wesens, schüttelte die Fledermaus wieder ab, entrollte das Pergament und hielt es ans Feuer. Er mußte es dicht vor die Augen halten, um die weiße Schrift zu entziffern:
Der Mausling ist in Todesgefahr. Auch ganz Lankhmar. Besprich dich mit dem Siebenäugigen Ningauble. Beeilung ist vonnöten. Verlier die Blechpfeife nicht.
Die Unterschrift war ein winziges Oval, das Fafhrd als eines der Zeichen des Augenlosen Sheelba erkannte.
Kreeshka hatte den weißen Kinnknochen auf ihre gefalteten Finger gestützt und musterte den Nordling, der schon sein Schwert gürtete.
»Du verläßt mich«, sagte sie tonlos.
»Ja, Kleiner Knochen. Ich muß wie der Wind nach Süden fliegen«, sagte Fafhrd hastig. »Ein alter Freund ist in Gefahr.«
»Ein Mann, natürlich«, fuhr sie leise fort. »Sogar die Geistermänner bewahren sich die stärkste Liebe für ihre männlichen Schwertfreunde.«
»Das ist eine andere Liebe«, sagte Fafhrd, als er die Mähre von dem Baum losband und nach seinem Beutel am Sattelknauf tastete, um sich zu vergewissern, daß die kleine Pfeife noch dort war. »Du hast noch die halbe Antilope für den Rückweg und ...«
Kreeshka sah ihn seltsam an: »Wer hat dich um die plötzliche Reise gebeten? Die Fledermaus?«
Fafhrd biß sich auf die Lippen. »Hier, nimm auch noch mein Jagdmesser.« Und als sie nicht antwortete, fügte er hinzu: »Kannst du mit Pfeil und Bogen umgehen?« Das Skelettmädchen sagte ins Leere: »Ich hätte diesem Verschwommenen längst in den Hals beißen und sein Blut trinken und ihn aufessen sollen!«
Fafhrd bückte sich schweigend, um das Geistermädchen zum Abschied zu küssen, doch im letzten Augenblick wandte sie den Kopf, so daß seine Lippen nur ihre kühle Wange berührten.
Als er aufstand,
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