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Schwerter-Zylus 06 - Die Schwerter von Lankhmar

Schwerter-Zylus 06 - Die Schwerter von Lankhmar

Titel: Schwerter-Zylus 06 - Die Schwerter von Lankhmar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Leiber
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den Straßen still, denn alle Keller und Erdgeschosse waren verlassen und verriegelt. Nur in der Straße der Götter herrschte noch Betrieb – hier hatten sich die Ratten noch nicht sehen lassen, hier konnte man seine Ängste noch für kurze Zeit vergessen. In der übrigen Stadt waren die nervösen Schritte der Wächter und Soldaten das einzige Geräusch – begleitet von einem Trappeln und Fiepen, das mit der Zeit immer mehr zunahm.
     
    Reetha lag ausgestreckt vor dem großen Küchenfeuer und vor Samanda, die auf ihrem großen Thron saß und nachdenklich ihre Peitschen, Riemen und anderen Folterinstrumente betrachtete. Von Zeit zu Zeit sah Samanda das Mädchen nachdenklich an. Sie hatte Reetha noch nicht geschlagen, auch hatte sie Glipkerio noch keine Nachricht über den Zeitpunkt der Strafe zukommen lassen.
    Reetha machte sich klar, daß die Strafe absichtlich hinausgeschoben wurde, um ihre Angst weiter zu steigern. Schon waren ihre kurzen Schlafzeiten von Alpträumen bestimmt, die die Perioden des Wachseins noch unangenehmer machten, während ihr die Phantastereien über Samandas Unterwerfung in diesem Augenblick zu unpassend erschienen. Sie versuchte sich etwas Romantisches auszudenken, doch es wollte ihr nicht viel einfallen. Da war eigentlich nur der kleine, graugekleidete Schwertkämpfer, der sich nach ihrem Namen erkundigt hatte – das war an dem Tag gewesen, da sie aus Angst vor den Ratten das Tablett fallen gelassen hatte. Dieser Mann war höflich zu ihr gewesen, sie schien für ihn nicht nur ein lebendes Tablett gewesen zu sein. Aber bestimmt hatte er sie längst vergessen.
    Plötzlich kam ihr der Gedanke, daß sie Samanda, wenn sie sie nahe genug heranlockte, mit ihrer losen Kette erdrosseln konnte – aber diese Vorstellung ließ sie erzittern. Schließlich beschäftigte sie sich damit, die Vorteile aufzuzählen, die ihr verblieben waren – so etwa die Tatsache, daß sie keine Haare hatte, die ihr ausgerissen oder angesteckt werden konnten.
     
    Der Mausling erwachte eine Stunde nach Mitternacht. Er war wieder völlig munter. Seine bandagierte Wunde störte ihn nicht, obwohl er den linken Unterarm noch nicht wieder richtig bewegen konnte. Aber da er Glipkerio kaum vor Tagesanbruch sprechen konnte und da er Sheelbas Antirattenzauber nur in der Gegenwart des Oberherrn einsetzen wollte, beschloß er, sich mit dem verbleibenden Wein wieder schlafen zu legen.
    Leise, um Nattick Nimblefingers nicht zu wecken, der auf einem Bett neben ihm schnarchte, griff der Mausling nach dem halbvollen Weinkrug und leerte ihn ziemlich schnell. Er begann sich auch noch mit dem vollen zu beschäftigen. Doch seltsamerweise konnte er nicht wieder einschlafen, ja, je mehr er trank, desto wacher wurde er, bis er schließlich Skalpell und Katzenklaue aufnahm und sich nach unten schlich.
    Seine Kleidung schimmerte auf Natticks sauberem Arbeitstisch. Seine Stiefel und die anderen Lederteile waren abgebürstet, gereinigt und eingeölt worden, und seine graue Seidentunika hatte eine Wäsche hinter sich. Sie war wieder völlig in Ordnung, die Nähte sauber gegengestichelt. Nach einer kleinen Geste des Dankes zog sich der Mausling hastig an, nahm einen der beiden großen Schlüssel von dem versteckten Haken, öffnete die Tür, glitt in die Dunkelheit hinaus und schloß wieder ab.
    Lange Zeit stand er im tiefen Schatten. Das Mondlicht erhellte die alten Mauern auf der anderen Seite und offenbarte die Flecken und die verbarrikadierten kleinen Fenster und die niedrigen, geschlossenen Türen über den ausgetretenen Steinstufen und den bronzenen Abflußschlitzen und den herumliegenden Abfall. Die Straße war zu beiden Seiten still und leer.
    Wie eine große Katze trat er aus der Ecke und wurde zu einem Bestandteil der silberhellen Welt, trabte mit großen schnellen Schritten in seinen weichen Stiefeln durch die Marktstraße und die querlaufende Straße der Denker und die Straße der Götter zu. Die Hurenstraße verlief links parallel zur Marktstraße, und rechts lagen die Zimmererstraße und die Mauerstraße; sie alle vier folgten der Biegung der Marschmauer jenseits der Mauerstraße.
    Zuerst war die Stille ungebrochen. Dann begann er es zu hören – ein leises Trapsen, fast wie das Trommeln der ersten Regentropfen nach langer Trockenheit oder wie der erste Hauch eines Sturms, der durch einen kleinen Baum fegt. Er blieb stehen und sah sich um. Das Trippeln hörte auf. Sein Blick durchforschte die Schatten und entdeckte zwei dicht

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