Schwerter-Zylus 08 - Ritter und Knappe des Schwerts
davontrug, womit sich für den Mausling ein kleines Rätsel löste. Die Gerte hatte wie immer an einem Haken an der Wand gehangen. Da die Wand aber für ihn durchsichtig war, konnte er auch den daraus herausstehenden Haken nicht sehen.
Die Szene, die er von seinem beengten Aussichtspunkt aus beobachtete, versprach allmählich reizvoller zu werden, und er war angemessen dankbar für die kleine Ablenkung von seinen Beschwerden. Er kannte Hisvets Art ein wenig und konnte die nächsten Entwicklungen erraten oder zumindest lohnend darüber nachdenken. Die dunkelhaarige Dreisie schien als Bösewicht oder Sündenbock dieser Dreiecksszene passend. Finster gegen das Schubladenschränkchen zurückgelehnt, sah sie in ihrer schwarzen Uniformtunika wie ein Unglücksrabe aus, wenn auch die großen, runden alabasterweißen Knöpfe vorne dem ganzen eine komische Note hinzufügten. Viersie führte ihre Niederknie-Nummer ein zweites Mal vor. Hisvet nahm die Gerte und das wiederaufgefüllte Glas und sagte gnädig: »Danke, meine Liebe. Mit diesen beiden in der Hand fühle ich mich viel besser. Nun, Dreisie?«
»Ich denke nach, Demoiselle«, sagte diese, »und dabei fällt mir ein, daß Viersie, als ich dieses Zimmer betrat, hier, wo ich jetzt stehe, vor der geöffneten Schublade hockte, die ich gerade so gründlich durchsucht habe, und darin herumwühlte. Sie schob sie sofort zu, könnte aber, wie mir jetzt klar wird, sehr wohl etwas daraus entfernt und am Körper versteckt haben.«
»Demoiselle, das stimmt nicht!« protestierte Viersie erbleichend. »Die Schublade stand niemals offen, und ich habe mich auch nicht daran zu schaffen gemacht.«
»Sie ist eine gemeine kleine Lügnerin, liebe Herrin«, schoß Dreisie zurück. »Seht Ihr, wie sie erbleicht?«
»Still Mädchen«, tadelte Hisvet. »Mir ist ein einfaches Mittel eingefallen, diesen unziemlichen Streit zu beenden. Dreisie, meine Liebe, hätte Viersie die Gelegenheit gehabt, den Öffner irgendwo in diesem Raum zu verstecken, falls sie ihn weggenommen hat? Wenn ich mich recht entsinne, bin ich kurz nach dir hier eingetreten.«
»Nein, Herrin, die hatte sie nicht.«
»Nun, dann«, lächelte Hisvet. »Dreisie, komm her. Viersie, meine Liebe, zieh deine Tunika aus, damit sie dich gründlich durchsuchen kann.«
»Demoiselle«, beklagte sich die Blonde. »Ihr würdet mich doch nicht derart beschämen.«
»Das ist doch keine Schande«, versicherte Hisvet unbefangen, die silbrigen Augenbrauen hebend. »Hör mal, mein Kind, angenommen, ich hätte einen Liebhaber zu Besuch, dann könnte ich sehr wohl – und würde wahrscheinlich auch – dir und Dreisie befehlen, euch auszuziehen, damit er durch eure Gegenwart nicht verlegen wird oder wir uns unbehaglich fühlen. Es könnte uns sogar einfallen, eine von euch beiden mit genauen Anweisungen zu unserem Spiel hinzuzubefehlen. Frix hat diese Dinge verstanden, wie hoffentlich auch Dreisie. Frix war unvergleichlich. Nicht einmal Zweisie kann sie ersetzen. Doch wie ihr wißt, ist es Frix gelungen, ihre Dienstzeit abzuleisten und den Bannspruch meines Vaters zu erfüllen. Eine zweite Einsie gibt es nicht, das ist das Problem.«
Beide Mädchen nickten zustimmend, wenn auch jede auf ihre eigene Weise ein wenig finster. Jede hatte schon etwas zu viel über die unvergleichliche Einsie gehört.
Dem Mausling begann die Sache allmählich Spaß zu machen. Nun ja, schau an, kaum hatte das Stück begonnen, da war es Hisvet auch schon gelungen, die Rollen der beiden Darstellerinnen zu vertauschen. Er wünschte, Fafhrd wäre da, dem würde es gefallen, Frix derart loben zu hören. Die Prinzessin von Arilia hatte es ihm ziemlich angetan, insbesondere damals als unerschütterliche Sklavin und Zofe Hisvets. Allerdings würde es dem großen Dummkopf nicht gefallen, eingegraben zu sein, das war sicher. Wahrscheinlich wäre er ohnehin zu groß, um mit den kärglichen Luftmengen am Leben zu bleiben. Was dem Mausling in Erinnerung rief, daß er sein eigenes Atemholen auf keinen Fall vernachlässigen durfte. Und die ständig zu gewärtigende Möglichkeit des Auftretens einer dritten Kraft, ob nun aus der Unter- oder aus der Oberwelt, nie aus den Augen verlieren durfte. Das konnte man wohl eine Zweifrontenstellung nennen!
Als Antwort auf Hisvets: »Also, keinen Unsinn, Kind! Zieh dich aus, habe ich gesagt!« hatte Viersie entgegnet: »Habt Mitleid, Demoiselle. Sich für einen Liebhaber zu entkleiden wäre eine Sache. Sich jedoch nackt auszuziehen, um sich
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