Schwerter-Zylus 08 - Ritter und Knappe des Schwerts
Hand aufgeschürft, von allen Seiten schienen dunkelbraune Erdmassen auf ihn niederzustürzen, sein ›Meine Ehrerbietung‹ wurde bei der ersten Silbe zu einem erstickten Grollen, das ihm die Ohren durchbohrte, im ganzen Schädel dröhnte und in einen Hustenanfall überging, der erst endete, als er den Mund voll Dreck und Erde hatte.
Er befand sich noch immer in dieser schrecklichen Lage als lebendig Begrabener, wie schon die ganze Zeit über, seit er der Vollmondzeremonie am Galgenberg in den kalten Grund hinein entglitten war, der sich seinen unfreiwilligen Wanderungen gegenüber so sonderbar durchlässig erwies und jedem Fluchtversuch einen so eisernen Widerstand entgegensetzte. Dieses Mal hatte er sich von der Kraft seiner geheimnisvollen Sehfähigkeit täuschen lassen, die es ihm gestattete, bis in eine gewisse Entfernung durchs feste Erdreich hindurchzusehen. Und so hatte er sich, all seine anderen Sinneseindrücke mißachtend, frei geglaubt. Offensichtlich war er tatsächlich irgendwie in das Untere Lankhmar befördert worden, und nun blieb ihm nichts anderes übrig, als das langsame Spiel noch einmal zu beginnen, seinen Atem zu kontrollieren, sein pochendes Herz zu beruhigen und den Mund Körnchen um Körnchen von dem Dreck zu befreien, der während seines Hustenkrampfes in diesen eingedrungen war, dabei seine Zunge so gut wie möglich einzusetzen, um nur sein Überleben zu sichern. Denn nachdem der Schmerz in seinem Schädel nachgelassen hatte, bemerkte er eine allgemeine körperliche Schwäche und eine Unregelmäßigkeit des Bewußtseins, aus der er schloß, daß er dem schmalen Grat zwischen Sein und Nichtsein schon äußerst nahe war und sich nun mit größter Klugheit wieder davon zurückziehen mußte.
Bei diesen Bemühungen kam ihm zur Hilfe, daß er immer zumindest einen Rest von Sehfähigkeit behielt und die weiß-violette Szene vor ihm sich nie völlig verdunkelte. Zwischen der körnigen, schwarzen Erde erhaschte er immer wieder blitzartige Ausschnitte davon und kurze Blicke darauf, und außerdem half ihm das schwachgelbe Glühen, das weiterhin von Stirn und Wangen ausging.
Als der Mausling schließlich all das Gelände zurückerobert hatte, das ihm durch seinen unvorsichtigen Ausfall verloren gegangen war, sah er die blonde Hisvet zu seiner Überraschung noch immer mit Sprechen beschäftigt und die gewinnenden Zofen noch immer mit andächtigem Zuhören, nicht weniger lebhaft als zuvor. Was sagte Hisvet nur?
Seine unterirdische Atmung sorgfältig beibehaltend, richtete er sich gleichzeitig auf seine anderen Sinne außer dem Gesichtssinn, um diese zu erweitern und zu vertiefen und all seine inneren Kräfte darauf zu lenken. Schließlich wurden seine Bemühungen belohnt.
Der nächste schwere Tropfen fiel mit einem hörbaren, wohlklingenden Platschen in die Schale der Wasseruhr. Beinahe wäre er zusammengezuckt.
Fast im gleichen Augenblick summte eine Glühwespe und eine Diamantfliege schlug mit schwirrenden Flügeln gegen die bleichen Drahtstäbe ihres Käfigs.
Hisvet lehnte sich auf die Ellbogen zurück und sagte mit silberreiner Stimme: »Entspannt euch, Mädchen.«
Daraufhin schienen sie in ihrer Aufmerksamkeit nachzulassen – ein wenig zumindest.
Sie legte drei Finger vor die rötliche Rundung ihrer Lippen und gähnte zierlich. »Wirklich, das war ein langer und langweiliger Vortrag«, bemerkte sie. »Und doch hast du ihn vorbildlich ertragen, liebe Dreisie«, wandte sie sich an die Dunkelhaarige. »Und du auch, Viersie«, lobte sie die Blonde. Sie nahm eine lange Nadel mit Smaragdkopf, die neben ihr gelegen hatte, und schwenkte sie spielerisch. »Nicht ein einziges Mal mußte ich diese bei einer von euch einsetzen«, sagte sie lachend, »um den halsstarrig abschweifenden Sinn zur Ordnung zu rufen und eine faule Träumerin zu wecken.«
Beide Mädchen hoben die Mundwinkel zu einem anerkennenden Lächeln, während sie auf die Nadel einen äußerst verdrießlichen Blick warfen.
Hisvet reichte sie Viersie, die sie mit recht spitzen Fingern quer durch den Raum zu einem oben mit Kosmetika und Spiegeln vollgestellten Schubladenschränkchen trug und in ein kugelförmiges, schwarzes Kissen steckte, in dem noch andere Nadeln mit Edelsteinköpfen in allen Farben des Regenbogens staken.
Unterdessen wandte Hisvet sich an Dreisie, deren Augen sich beim Zuhören weiteten. »Während ich sprach, hatte ich zweimal den deutlichen Eindruck, wir würden von einem bösen Spion ausgespäht, einem der
Weitere Kostenlose Bücher