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Schwertgesang

Schwertgesang

Titel: Schwertgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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wollten sie mit zurücknehmen, um sie in Lundene auf einem christlichen Friedhof zu beerdigen.
    »Soll ich es in Schlepp nehmen?«, rief Ralla und deutete auf das Handelsschiff. Ich sagte ja, und wir warteten, bis er ein Tau am Vordersteven des Handelsschiffes befestigt hatte.
    Dann ruderten wir gemeinsam Richtung Norden über das Mündungsgebiet der Temes. Die Möwen waren jetzt mutiger geworden und pickten den toten Männern die Augen aus. Es war inzwischen Mittag, und der Gezeitenwechsel ließ die Strömung stillstehen. Das Wasser wirkte ölig, hob und senkte sich träge unter der Sonne, die ihren Höchststand erreicht hatte, und wir schonten unsere Kräfte und ruderten langsam über die silbrig glitzernde See. Und ebenso langsam kam das Nordufer des Mündungsgebietes in Sicht. Niedrige Hügel zitterten in der Mittagshitze. Ich war schon früher an dieser Küste entlanggefahren und wusste, dass sich jenseits einer flachen, von Wasserläufen durchzogenen Landzunge waldige Hügel erhoben. Ralla, der diese Küste viel besser kannte als ich, führte uns an, und ich prägte mir die Besonderheiten der Landschaft ein, während wir immer näher ans Ufer kamen. Mir fielen ein etwas höherer Hügel, ein Steilufer und eine Baumgruppe auf, und ich wusste, dass ich diese Dinge wiedersehen würde, denn wir ruderten unsere Schiffe auf Beamfleot zu. Hier lag der Bau der Seewölfe, das Nest der Seeschlangen, hier lag Sigefrids Rückzugsort. Und hier lag auch das alte Königreich der Ostsachsen, ein Königreich, das schon vor langer Zeit untergegangen war, obwohl in alten Geschichten erzählt wird, die Ostsachsen seien einst ein gefürchtetes Volk gewesen. Sie waren Seefahrer und Plünderer, doch dann hatten die Angeln, die nördlich von ihnen lebten, ihr Land erobert, und nun gehörte diese Küste zu Guthrums Reich, zu Ostanglien.
    Es war eine gesetzlose Küste, sie lag weit entfernt von Guthrums Regierungszentrum. Hier, in den Wasserläufen, die bei Ebbe trockenfielen, konnten Schiffe verborgen werden und beim Einsetzen der Flut aus ihren Verstecken gleiten und die Händler ausrauben, die ihre Waren mit dem Schiff die Temes hinaufbrachten. Das hier war ein Piratennest, und hier hatten Sigefrid, Erik und Haesten ihr Lager.
    Sie mussten uns beim Näherkommen gesehen haben, aber was sahen sie? Sie sahen den Seeadler, eines ihrer eigenen Schiffe, und an seiner Seite ein weiteres dänisches Schiff, beide stolz mit Tierköpfen geziert. Und sie sahen ein drittes Schiff, ein rundliches Händlerschiff, und sie mussten annehmen, dass Olaf von einem erfolgreichen Beutezug zurückkehrte. Das Schwert des Herrn ürden sie für das Schiff eines Nordmannes halten, der gerade neu in England eingetroffen war. Kurzum, sie sahen uns, aber sie schöpften keinen Verdacht.
    Als wir uns dem Ufer näherten, befahl ich, dass die geschnitzten Tierköpfe von den Steven an Bug und Heck abgenommen wurden. Sie wurden in heimatlichen Gewässern niemals gezeigt, denn sie waren dazu da, feindliche Geister zu schrecken, und Olaf musste davon ausgegangen sein, dass ihm die Geister, die an den Wasserläufen um Beamfleot wohnten, freundlich gesinnt waren, und er hätte sie bestimmt nicht erschrecken wollen. Und so sah man von Sigefrids Lager aus, wie die geschnitzten Köpfe abgenommen wurden, und das musste für seine Leute bedeuten, dass hier Freunde nach Hause ruderten.
    Ich starrte auf dieses Ufer, und ich wusste, das Schicksal würde mich hierher zurückbringen, und ich berührte Schlangenhauchs Griff, denn auch meine Klinge hatte ihr Schicksal, und ich wusste, dass sie an diesen Ort zurückkehren würde. Denn dies war ein Ort, an dem mein Schwert singen würde.
    Beamfleot lag am Fuße eines Hügels, der steil zu einem Flussarm der Temes hin abfiel. Einer der Fischer, ein jüngerer Mann, der mit mehr Verstand als seine Gefährten gesegnet schien, stand neben mir und nannte mir die Namen der Orte, auf die ich zeigte. Die Siedlung unterhalb des Hügels, bestätigte er, war Beamfleot, und der Flussarm war, wie er beharrlich wiederholte, kein Flussarm, sondern ein eigener Fluss, der Hothlege. Beamfleot lag am nördlichen Ufer des Hothlege, während sein südliches Ufer zu einer niedrigen, düsteren, weitläufigen und trostlosen Insel gehörte. »Caninga«, erklärte mir der Fischer. Auf Caninga war es überall feucht, die Insel bestand nur aus Marschland und Schilf, Wildvögeln und Schlamm. Der Hothlege, der für mich mehr wie ein Flussarm der Temes als wie ein

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