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Schwertgesang

Schwertgesang

Titel: Schwertgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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mich aus dem Gleichgewicht gebracht, und statt ihm Widerstand zu leisten, ließ ich mich eben fallen. Jetzt, in meinem hohen Alter, wache ich in mancher Nacht zitternd auf, wenn ich mich an die Augenblicke erinnere, in denen ich hätte sterben sollen und doch nicht gestorben bin. Dies war einer dieser Augenblicke. Trügt mich vielleicht die Erinnerung? Das Alter verschleiert lange Vergangenes. Da müssen auch die Geräusche scharrender Füße auf dem Deck gewesen sein, das Knurren von Männern, die zu einem Schlag ausholen, das Keuchen der Verletzten. Ich erinnere mich an die Furcht, die ich beim Fallen empfand, den Schrecken des bevorstehenden Todes, der die Gedärme sauer werden und den Geist aufschreien lässt. Es war nur ein kurzer Moment in meinem Leben und schnell vorüber, ein Durcheinander von Hieben und Entsetzen, ein Kampf, kaum der Erinnerung wert, doch bis heute kann mich Olaf Eagleclaw in der Dunkelheit aufwecken, und dann liege ich da, höre die Wellen ans Ufer schlagen und weiß, dass er in der Totenhalle auf mich warten und mich fragen wird, ob ich ihn nur durch Glück getötet oder diesen schrecklichen Stoß mit Vorbedacht ausgeführt habe. Er wird sich auch daran erinnern, dass ich ihm die Axt zugeschoben habe, sodass er mit einer Waffe in der Hand sterben konnte, und dafür wird er mir danken. Ich freue mich darauf, ihn wiederzusehen. Bis ich Olaf getötet hatte, war sein Schiff erobert und seine Mannschaft niedergemacht. Finan hatte den Angriff auf dem Seeadler ührt. Ich kannte den Namen des Schiffes, weil er in Runenschrift in seinen Vordersteven eingeschnitzt war. »Das war kein Kampf«, erklärte Finan voller Abscheu. »Ich habe es dir ja gesagt.« »Ein paar Ruderleute sind noch an Waffen gekommen«, sagte er und tat diesen Versuch zu kämpfen mit einem Achselzucken ab. Dann deutete er in den Kielraum des Seeadlers, dem blutigrot das Wasser schwappte. Fünf Männer kauerten dort zitternd beieinander, und ich sah Finan fragend an. »Das sind Sachsen, Herr«, erklärte er, warum die Männer noch lebten. Die fünf Männer waren Fischer, die erklärten, dass sie aus einem Ort namens Fughelness stammten.
    Ich konnte sie kaum verstehen. Sie sprachen Englisch, doch auf so merkwürdige Art, dass es wie eine fremde Sprache klang, dennoch verstand ich so viel, dass Fughelness eine unfruchtbare Insel inmitten einer Ödnis aus Marschland und Wasserläufen war. Außer Vögeln und trostloser Weite gab es dort ein paar arme Leute, die auf dem schlammigen Grund überlebten, indem sie Vögel, Aale und Fische fingen. Sie sagten, dass Olaf sie eine Woche zuvor gefangen genommen und zum Ruderdienst auf seinem Schiff gezwungen hatte. Sie waren elf gewesen, aber sechs waren bei Finans wütendem Angriff umgekommen, bevor diese Überlebenden meine Männer davon überzeugen konnten, dass sie Gefangene und keine Gegner waren. Wir nahmen den Feinden all ihre Habe ab, dann stapelten wir ihre Kettenhemden, Waffen, ihre Armringe und ihre Bekleidung am Mast des Seeadlers . Später würden wir diese Beute aufteilen. Jeder Mann würde einen Anteil erhalten, Finan würde drei Anteile bekommen und ich fünf. Ich sollte zwar ein Drittel an Alfred abgeben und ein Drittel an Bischof Erkenwald, aber ich gab ihnen selten etwas von dem, was ich beim Kampf erbeutete.
    Wir warfen die nackten Toten in das Händlerschiff, wo sie als grausige Fracht blutbesudelter Leichen übereinanderlagen. Ich erinnere mich, gedacht zu haben, wie weiß ihre Körper aussahen und wie dunkel dagegen ihre Gesichter. Ein Schwarm Seemöwen kreiste schreiend über uns, die Vögel wollten herabstoßen und an den Leichen picken, doch sie wagten es nicht, solange wir in der Nähe waren. Inzwischen war das andere Schiff mit der Ebbe stromab gefahren und bei uns angekommen. Es war ein stolzes Kampfschiff, seinen Bug krönte ein Drachenkopf, sein Heck ein Wolfsschädel, und an seiner Mastspitze hing eine Windfahne, die mit einem Raben verziert war. Es war eines der beiden Kriegsschiffe, die wir in Lundene erbeutet hatten, und Ralla hatte es Schwert des Herrn . Das hätte Alfred gefallen. Ralla, der das Schiff führte, drehte neben uns bei und legte die Hände wie einen Trichter an den Mund. »Gut gemacht!«
    »Wir haben drei Männer verloren«, rief ich zurück. Alle drei waren im Kampf gegen Olafs Angreifer auf unserem Schiff gestorben, und diese Toten fuhren mit uns auf dem Seeadler. hätte sie in die See geworfen, aber sie waren Christen, und ihre Freunde

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