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Schwertgesang

Schwertgesang

Titel: Schwertgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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verkrümmt und würgend den Saal verlassen hatte, war nichts mehr zu bemerken. Stattdessen stand sie aufrecht, mit geradem Rücken und ernster Miene vor uns, wenn dieser Ernst auch durch ein Lächeln aufgehellt wurde, als sie Gisela erblickte. Sie umarmten sich, und ich sah Æthelflaed die Augen schließen, als müsse sie Tränen zurückhalten.
    »Ihr seid nicht krank, Herrin?«, fragte ich.
    »Nur schwanger«, sagte sie, die Augen immer noch geschlossen, »nicht krank.«
    »Gerade habt Ihr noch krank ausgesehen«, sagte ich.
    »Ich wollte mit euch reden«, sagte sie und löste sich von Gisela, »und Unwohlsein vorzutäuschen, war die einzige Möglichkeit, allein zu sein. Er kann es nicht ertragen, wenn mir übel ist. Er lässt mich allein, wenn ich mich übergeben muss.« »Ist Euch oft übel?«, fragte Gisela. »Jeden Morgen«, sagte Æthelflaed, »fühle ich mich sterbenselend, aber geht es nicht jeder Frau so?« »Dieses Mal nicht«, sagte Gisela und berührte ihr Amulett. Sie trug ein kleines Abbild von Frigg, dem Weib Odins und der Königin von Asgard, wo die Götter wohnen. Frigg ist die Göttin der Schwangerschaft und der Geburt, und das Amulett sollte Gisela schützen, wenn sie das Kind zur Welt brachte. Das kleine Abbild hatte uns bei unseren beiden ersten Kindern gute Dienste geleistet, und ich betete jeden Tag, dass es auch bei dem dritten so sein würde.
    »Ich übergebe mich jeden Morgen«, sagte Æthelflaed, »danach fühle ich mich den Tag über gut.« Sie berührte ihren Bauch und strich dann über den von Gisela, der schon weit vorgewölbt war.
    »Ihr müsst mir von den Geburten berichten«, sagte sie ängstlich. »Es ist schmerzhaft, nicht wahr?« »Ihr vergesst die Schmerzen«, sagte Gisela, »denn sie werden von der Freude weggeschwemmt.« »Ich hasse Schmerzen.«
    »Es gibt Kräuter«, sagte Gisela und bemühte sich, überzeugend zu klingen, »und die Freude, wenn das Kind kommt, ist überwältigend.« Sie redeten über Geburten, und ich lehnte mich an die Ziegelmauer und sah zwischen den Blättern der Birnbäume zum blauen Himmel hinauf. Die Frau, die uns hierhergebracht hatte, war wieder gegangen, und wir waren allein. Irgendwo jenseits der Ziegelmauer rief ein Mann seinen Soldaten zu, sie sollten ihre Schilde heben, und ich hörte den Klang von Knütteln auf Holz, als sie sich im Kampf übten. Ich dachte an die neue Stadt, das Lundene außerhalb der Mauern, wo die Sachsen ihre Siedlung gebaut hatten.
    Sie wollten, dass ich ihnen dort eine neue Palisade baute und sie mit meiner Truppe verteidigte, doch ich hatte abgelehnt, weil mir Alfred befohlen hatte, abzulehnen, und weil zu viele Wehranlagen zu verteidigen wären, wenn auch noch die neue Stadt einen Wall bekam. Ich wollte, dass diese Sachsen in die alte Stadt zogen. Einige wenige waren gekommen, sie suchten den Schutz der alten römischen Stadtmauer und meiner Verteidigungstruppe, doch die meisten blieben eigensinnig in der neuen Stadt. »An was denkst du?«, unterbrach Æthelflaed unvermittelt meine Überlegungen.
    »Er dankt Thor dafür, ein Mann zu sein«, sagte Gisela, »und keine Kinder auf die Welt bringen zu müssen.«
    »Das stimmt«, sagte ich, »und ich habe gedacht, wenn es Leute gibt, die lieber in der neuen Stadt sterben, als in der alten zu leben, dann sollten wir sie sterben lassen.«
    Æthelflaed lächelte über diese hartherzige Äußerung. Sie kam zu mir herüber. Sie war barfüßig und wirkte sehr klein. »Du schlägst Gisela nicht, oder doch?«, fragte sie und sah zu mir empor. Ich warf Gisela einen Blick zu und lächelte. »Nein, Herrin«, sagte ich leise.
    Æthelflaed sah mich unverwandt an. Sie hatte blaue Augen mit braunen Flecken, eine leichte Stupsnase, und ihre Unterlippe war voller als ihre Oberlippe. Die Prellungen waren verschwunden, wenn auch noch ein zarter dunkler Hauch auf einer Wange zeigte, wo sie zuletzt geschlagen worden war. Sie war sehr ernst. Einige Strähnen ihres goldenen Haares hatten sich aus ihrer Haube gelöst. »Warum hast du mich nicht gewarnt, Uhtred?«, fragte sie. »Weil Ihr keine Warnung hören wolltet«, sagte ich. Sie dachte darüber nach und nickte dann jäh. »Nein, das wollte ich nicht, du hast recht. Ich bin selbst in den Käfig gegangen, nicht wahr? Und dann habe ich ihn abgeschlossen.«
    »Dann schließt ihn wieder auf«, sagte ich schroff. »Das kann ich nicht«, erwiderte sie knapp. »Nein?«, fragte Gisela. »Gott hat den Schlüssel.« Ich lächelte über diese Bemerkung.

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