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Schwertgesang

Schwertgesang

Titel: Schwertgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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wieder gefüllt wurden. Das dauerte zwei Tage, und am nächsten Tag bestand er darauf, bei Hofe Recht zu sprechen, eine Aufgabe, die der Ordnung nach zu Bischof Erkenwalds Befugnissen gehörte, doch die Æthelred, als Aldermann von Mercien, jederzeit selbst übernehmen konnte. Er mochte mich vielleicht nicht sehen wollen, und Gisela mochte am Palas abgewiesen worden sein, als sie Æthelflaed besuchen wollte, aber kein freier Bürger konnte daran gehindert werden, den Gerichtssitzungen beizuwohnen, und so schlossen wir uns der Menge in dem großen säulengetragenen Saal an.
    Æthelred hatte sich in einem Stuhl ausgestreckt, der ebenso gut ein Thron hätte sein können. Er hatte eine hohe Rückenlehne, beschnitzte Armlehnen, und seine Sitzfläche war mit Fellen ausgelegt. Ich weiß nicht, ob er uns bemerkte, und wenn er es tat, ließ er es nicht erkennen, doch Æthelflaed, die auf einem niedrigeren Stuhl neben ihm saß, sah uns bestimmt. Offenbar ohne uns zu erkennen, starrte sie uns an, dann wandte sie ihr Gesicht ab, als sei sie gelangweilt. Die Fälle, mit denen sich Æthelred beschäftigte, waren belanglos, dennoch bestand er darauf, jeden anzuhören, der als Schwurnehmer unter Eid etwas zu erklären hatte. Bei der ersten Beschwerde ging es um einen Müller, der beschuldigt wurde, falsche Gewichte zum Auswiegen zu benutzen, und Æthelred befragte den Schwurnehmer unerbittlich. Sein Vertrauter Aldhelm saß nahe hinter ihm und flüsterte Æthelred Ratschläge ins Ohr. Aldhelms früher gut aussehendes Gesicht war von den Narben gezeichnet, die meine Schläge hinterlassen hatten, seine Nase war gebrochen und einer seiner Wangenknochen eingedrückt. Mir, der ich über solche Fragen oftmals geurteilt hatte, schien der Müller zweifellos schuldig, doch Æthelred und Aldhelm brauchten lange, um zu dem gleichen Schluss zu kommen. Der Mann wurde zum Verlust eines Ohrs und einem Brandzeichen auf der Wange verurteilt. Darauf las ein junger Priester laut die Anklageschrift gegen eine Hure vor, die beschuldigt wurde, Geld aus dem Almosenkasten in der Kirche Sankt Alban gestohlen zu haben. Und während der Priester noch sprach, krümmte sich Æthelflaed unvermittelt zusammen. Mit einer Hand am Bauch beugte sie sich vor. Ich dachte, sie würde sich erbrechen, doch aus ihrem Mund kam nichts außer einem leisen Stöhnen. So verharrte sie, vorgebeugt, mit offenem Mund und einer Hand an ihrem Bauch, an dem sich noch kein Zeichen ihrer Schwangerschaft zeigte. Im Saal war es still geworden. Æthelred starrte seine junge Frau an, offenbar war er angesichts ihres Leidens vollkommen hilflos, dann kamen zwei Frauen aus einem offenen Bogengang, und nachdem sie ein Knie vor Æthelred gebeugt und augenscheinlich seine Erlaubnis erhalten hatten, führten sie Æthelflaed weg. Mein Cousin machte mit bleichem Gesicht eine Handbewegung in Richtung des Priesters. »Fangt noch einmal von vorne an, Pater«, sagte Æthelred, »meine Aufmerksamkeit war nicht bei der Sache.« »Ich war schon fast am Ende, Herr«, sagte der Priester hilfsbereit, »und ich habe Schwurnehmer, die das Vergehen beschreiben können.« »Nein, nein, nein!« Æthelred hob eine Hand. »Ich wünsche die Anschuldigung zu hören. Wir müssen uns sorgfältig zeigen, wenn wir Recht sprechen.« Also begann der Priester erneut. Die Leute scharrten vor Langeweile mit den Füßen, während er dröhnend die Beschuldigungen vorlas, und in diesem Moment berührte mich Gisela am Ellbogen. Eine Frau hatte gerade etwas zu Gisela gesagt, und sie zupfte mich darauf am Gewand und schickte sich an, der Frau durch die Tür am Ende des Saales zu folgen. Ich folgte ihr nach und hoffte, dass Æthelred zu sehr damit beschäftigt war, den guten Richter zu spielen, um unseren Aufbruch zu bemerken. Wir folgten der Frau durch einen Gang, der einst zum Kreuzgang eines Klosters um einen Innenhof gehört hatte. Später war der offene Bogengang mit Flechtwerk und Lehm verschlossen worden. Am Ende des Ganges war eine rohe Holztür in einen steinernen Türrahmen gehängt worden. Rankender Wein war in das Mauerwerk eingeschnitten. Auf der anderen Seite befand sich ein Raum, dessen Fußboden mit kleinen Fliesen ausgelegt war, die irgendeinen römischen Gott zeigten, der Blitze schleuderte, und dahinter lag ein sonnenüberglänzter Garten, in dem drei Birnbäume ihre Schatten auf eine Wiese voller Gänseblümchen und Butterblumen warfen. Unter diesen Bäumen erwartete uns Æthelflaed. Von dem Leiden, unter dem sie

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