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Schwertgesang

Schwertgesang

Titel: Schwertgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Gegner, zufrieden, dass sie uns vertrieben hatten, wieder dem Pfosten mit der Kette zu. Einige beobachteten uns, forderten uns heraus, wieder auf festen Grund zu kommen und uns ihnen zu stellen, während andere mit Äxten auf die Kette einhieben. Hinter ihnen, als dunkle Umrisse vor einem dunklen Himmel, an dem die letzten Sterne verblassten, sah ich Haestens Schiffe darauf warten, aufs Meer hinausfahren zu können.
    Die Äxte klirrten hell, als mit ihnen auf die Kette eingehackt wurde, und dann war Jubel zu hören, und ich sah die schwere Kette wie eine Schlange über den Schlamm rutschen. Die Gezeiten hatten nun gewechselt, und die neue Flut floss stark vom Meer herein und ließ das Wachschiff in Richtung Westen in den Flussarm hineinschwingen. Und ich konnte nichts tun als zu beobachten, wie Haestens Flucht möglich wurde.
    Unsere Angreifer liefen zurück zu ihrem Schiff. Die Kette war in dem seichten Wasser verschwunden, als das Wachschiff sie langsam weggezogen hatte. Ich erinnere mich, über den Schlick vorwärts gestolpert zu sein, eine Hand auf Ryperes Schulter und mein linker Fuß schmatzend in dem Blut, das in meinem Stiefel stand. Ich hatte Schlangenhauch in der Hand und wusste, ich konnte nicht verhindern, dass Aethelflaed nun in eine viel elendere Gefangenschaft gebracht wurde. Das Lösegeld, dachte ich, würde verdoppelt werden, und Haesten würde ein Kriegsherr werden, ein Mann, vermögender, als es selbst seine übermäßige Habsucht verlangte. Er würde eine Streitmacht aufstellen. Er würde Wessex zerstören. Er würde König werden, und alles, weil diese Kette durchgehauen worden und der Hothlege nicht mehr versperrt war.
    Dann sah ich Haesten. Er stand im Bug seines Schiffes, von dem ich wusste, dass es Drachenfahrer ß, und es war das vorderste Schiff, das darauf wartete, dass die Durchfahrt vollkommen frei war. Haesten trug Umhang und Kettenrüstung, stolz stand er unterhalb des Drachenhauptes, das den Bug seines Schiffes krönte, und sein Helm schimmerte im Licht der Dämmerung, und sein gezogenes Schwert glitzerte, und er lächelte. Er hatte gesiegt. Æthelflaed, das wusste ich mit Sicherheit, war auf diesem Schiff, und hinter ihm waren zwanzig weitere Schiffe, Haestens Flotte, Haestens Männer. Sigefrids und Eriks Krieger hatten nun den Flussarm erreicht und mit einigen der Schiffe abgelegt, die vom Feuer verschont geblieben waren. Sie kämpften gegen die hinteren von Haestens Schiffen, und im Licht der Flammen von den verbrennenden Schiffen sah ich Waffen aufblitzen und wusste, dass dort weitere Männer starben, aber das alles kam zu spät. Die Durchfahrt öffnete sich immer weiter.
    Das Wachschiff, das nun nur noch von der Kette an seinem Bug gehalten wurde, bewegte sich zusehends schneller. In ein paar Augenblicken wäre die Durchfahrt ganz offen. Ich beobachtete, wie Haestens Ruderblätter leicht eingetaucht wurden, um den Drachenfahrer die hereinkommende Flut an seinem Platz zu halten, und ich wusste, dass die Ruder jeden Moment weit durchgezogen werden und der schmale Schiffskörper schnell an dem Wachschiff vorbeigleiten würde. Er würde nach Osten rudern, zu einem anderen Lager, in eine Zukunft, die ihm ein Königreich bringen würde, das einst Wessex genannt worden war. Keiner von uns sagte ein Wort. Ich kannte die Männer nicht, an deren Seite ich gekämpft hatte, und sie kannten mich nicht, und wir standen nur da, verzagte Fremde, und sahen zu, wie sich die Durchfahrt öffnete und der Himmel heller wurde. Die Sonne hatte fast den Rand der Welt erreicht, und der Osten brannte in rotem, goldenem und silbernem Licht. Und dieses Licht brach sich in den nassen Ruderblättern von Haestens Schiff, als seine Männer sie zu einem kräftigen Schlag weit nach vorne ausrichteten. Einen Moment lang blendeten mich all diese Widerspiegelungen, dann rief Haesten einen Befehl, die Ruderblätter verschwanden im Wasser, und das Langschiff schnellte nach vorne.
    Und erst da begriff ich, dass aus Haestens Stimme Furcht geklungen hatte. »Rudert!«, rief er, »rudert!«
    Ich verstand seine Furcht nicht. Keines von Sigefrids hastig bemannten Schiffen war in seiner Nähe, vor ihm lag die offene See, und dennoch klang seine Stimme verzweifelt. »Rudert!«, brüllte er, »rudert!« Und der Drachenfahrer noch schneller dem goldüberglänzten Osten entgegen. Sein wildes Drachenhaupt fletschte am Bug die Zähne und forderte die aufgehende Sonne heraus. Und da sah ich, weshalb sich Haesten fürchtete. Der

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