Schwertgesang
stärken. Der Kampf auf Haestens Schiff verlor an Kraft, als seine Männer nur noch den Tod vor sich sahen. Sie zogen sich zurück, stiegen über die Ruderbänke, ließen ihre Toten liegen und brüllten uns aus sicherer Entfernung an. Jetzt warteten sie darauf, dass wir angriffen. Und in diesem Moment, während dieser kleinen Unterbrechung, als die Männer auf beiden Seiten die Wahrscheinlichkeit, zu überleben oder zu sterben, abwogen, sah ich Aethelflaed. Sie kauerte unter der Steuerplattform des Drachenfahrers starrte auf das Gewirr aus Tod und Klingen vor ihr. Doch auf ihrem Gesicht lag keine Angst. Sie hatte mit weit aufgerissenen Augen die Arme um zwei ihrer Dienerinnen gelegt, doch zu fürchten schien sie sich nicht. Sie hätte voller Schrecken sein müssen nach den letzten Stunden, die nur aus Feuer, Tod und Entsetzen bestanden hatten. Haesten, so erfuhren wir später, hatte den Befehl gegeben, das Strohdach von Sigefrids Palas in Brand zu setzen, und in dem folgenden Durcheinander hatten sich seine Männer auf die Wachen gestürzt, die Aethelflaeds Palas schützten. Die Wachen waren gestorben, und Aethelflaed war aus ihrer Kammer gezerrt und eilig den Hügel zu dem wartenden Drachenfahrer worden. Es war gut ausgedacht, ein schlauer, einfacher und rücksichtsloser Plan, und er hätte aufgehen können, wäre der Seeadler vor der Mündung des Flussarms aufgetaucht, und jetzt hackten und stachen Hunderte von Männern in einem entfesselten Kampf aufeinander ein, ohne zu wissen, wer ihr Gegner war, und sie kämpften nur, weil sie im Kampf ihre Freude fanden. »Tötet sie! Tötet sie!« Das war Haesten, der seine Krieger zurück in die Schlacht rief. Er musste nur unsere Männer töten und Eriks Männer, und dann wäre er auf dem Flussarm frei, doch hinter ihm fuhr Sigefrids Schiff an Haestens restlicher Flotte vorbei und kam schnell näher. Sein Steuermann richtete Sigefrids Schiff auf die drei Schiffe aus, die den Wasserlauf versperrten, und sie hatten genügend Platz für drei kräftige Ruderschläge, sodass das kleinere Schiff wuchtig in den Kampf fuhr. Es rammte den Bug des Seeadlers der Stelle, an der Haestens Nachhut ihren Schildwall hatte, und ich sah die Krieger unter der Gewalt des Aufpralls zur Seite schwanken, und ich sah auch, dass die Planken des Seeadlers innen gedrückt wurden, als der Steven von Sigefrids Schiff hart in mein Schiff fuhr. Sigefrid wurde fast von seinem Stuhl geschleudert, doch er kämpfte sich wieder hoch in seinem Umhang aus Bärenfell und mit dem Schwert in der Hand und brüllte seinen Feinden zu, sie sollten kommen und sich von seinem Schwert Schreckenspender töten lassen. Sigefrids Männer warfen sich in den Kampf, während Erik mit zerzaustem Haar und gezogenem Schwert schon über das Heck des Seeadlers den Drachenfahrer war und sich erbarmungslos seinen Weg zu Aethelflaed freihieb. Der Kampf wendete sich. Die Beteiligung Eriks und seiner Männer und der Aufprall von Sigefrids Schiff hatten Haestens Krieger in die Verteidigungsstellung gedrängt. Zuerst gab die Nachhut an Bord des Seeadlers . Ich sah, wie sie sich zurück an Bord des Drachenfahrers , und dachte, Sigefrids Männer müssten mit aller Macht angegriffen haben, um sie so schnell in die Flucht zu schlagen, doch dann sah ich, dass mein Schiff sank. Sigefrids Schiff hatte seine Seite aufgerissen, und die See flutete durch die zerborstenen Planken.
»Tötet sie!«, schrie Erik. »Tötet sie!« Und unter seiner Führung stießen wir vor, und die Männer vor uns wichen um eine Ruderbank zurück. Wir folgten ihnen, und als wir über das Hindernis stiegen, hagelten die Schläge auf unsere Schilde herab. Ich stieß Schlangenhauch nach vorne und traf nichts als das Holz eines Schildes. Eine Axt zischte über meinen Kopf hinweg, und der Hieb verfehlte sein Ziel nur, weil der Drachenfahrer diesem Augenblick schlingerte, und mir wurde klar, dass die steigende Flut das Schiff von dem Schlick gehoben hatte. Wir lagen auf dem Wasser. »Ruder!«, rief jemand laut. Eine Axt grub sich in meinen Schild, spaltete das Holz, und ein Mann, dem der Wahnsinn in den Augen stand, starrte mich an und versuchte, seine Waffe zurückzuziehen. Ich schwang den Schild zur Seite und stieß ihm Schlangenhauch mit aller Kraft in die Brust, sodass der Stahl durch sein Kettenhemd fuhr, und als er sein Herz erreichte, starrte er mich weiter an.
»Ruder!« Es war Ralla, der diesen Befehl meinen Männern auf dem Seeadler , die sich nicht mehr gegen
Weitere Kostenlose Bücher