Schwertgesang
Gegenleistung anzubieten?«, fragte Pyrlig, und als ich auch darauf nicht einging, gab er selbst die Antwort. »Mercien.«
Ich lächelte gönnerhaft. »Das klingt alles recht verworren.«
»Sigefrid und Haesten«, sagte Pyrlig, ohne meinen spöttischen Einwurf zu beachten, »haben den Ehrgeiz, Könige zu werden. Doch hier gibt es nur vier Königreiche! Northumbrien können sie nicht nehmen, weil sie nicht gegen Ragnar ankämen. Mercien können sie nicht nehmen, weil sie nicht gegen Alfred ankämen. Aber Æthelstan wird alt, also können sie Ostanglien nehmen. Und warum nicht weitermachen? Wessex erobern? Sigefrid sagt, er wird Alfreds Trunkenbold von einem Neffen auf den Thron setzen, und das wird ihm helfen, die Sachsen für die wenigen Monate ruhig zu halten, bis er ihn umbringt, und dann ist Haesten schon König von Ostanglien, und ein anderer, Ihr vielleicht, ist König von Mercien. Und zu diesem Zeitpunkt werden sie sich zweifellos gegen Euch wenden und Mercien zwischen sich aufteilen. Das ist ihr Plan, Herr Uhtred, und er ist nicht schlecht! Aber wer würde schon mit diesen beiden Gesetzlosen paktieren?« »Niemand.« Ich log.
»Nur einer, der überzeugt davon ist, dass sie die Parzen auf ihrer Seite haben«, sagte Pyrlig fast wie nebenbei. Dann sah er mich an. »Habt Ihr den toten Mann gesehen?«, fragte er scheinbar in aller Unschuld, und diese Frage verblüffte mich so, dass ich nicht antworten konnte. Ich starrte nur Pyrligs breites, von den Schlägen geschwollenes Gesicht an. »Bjorn, so heißt er«, fügte der Waliser hinzu und schob sich den nächsten Brocken Käse in den Mund. »Die Toten lügen nicht«, platzte ich heraus. »Nein, die Lebenden tun es! Bei Gott, das tun sie! Sogar ich lüge, Herr Uhtred«, sagte er und lächelte mutwillig. »Ich habe meiner Frau eine Botschaft geschickt und ihr gesagt, sie würde Ostanglien hassen!« Er lachte. Alfred hatte Pyrlig gebeten, nach Ostanglien zu gehen, weil er ein Priester war und weil er Dänisch sprach, und seine Aufgabe dort war es gewesen, Guthrum in den Christenglauben einzuweihen. »In Wirklichkeit würde es ihr dort sehr gut gefallen!«, sprach Pyrlig weiter. »Es ist wärmer als zu Hause und es gibt keinen einzigen Berg, der diese Bezeichnung verdient. Flach und feucht, das ist Ostanglien, und ohne einen einzigen richtigen Berg! Meine Frau konnte Hügel und Berge noch nie ausstehen, und wahrscheinlich habe ich aus diesem Grund meinen Gott gefunden. Ich bin bis auf die Gipfel der Berge gezogen, nur um von ihr wegzukommen, und auf einem Berggipfel ist man näher bei Gott. Bjorn ist nicht tot.« Die letzten vier Worte sagte er mit unvermittelter Schroffheit und ich antwortete ebenso grob: »Ich habe ihn aber gesehen.«
»Ihr saht einen Mann aus einem Grab aufstehen, das habt Ihr gesehen.«
»Ich habe ihn gesehen!«, beharrte ich.
»Gewiss habt Ihr das! Und Euch ist nie eingefallen, in Frage zu stellen, was Ihr gesehen habt, oder etwa doch?« Pyrlig stellte diese Frage in sehr unfreundlichem Ton.
»Bjorn war erst kurz bevor Ihr kamt in dieses Grab gelegt worden! Sie haben Erde über ihn gehäuft, und er hat durch einen Schilfhalm geatmet.« Ich erinnerte mich daran, dass Bjorn etwas ausgespuckt hatte, während er sich schwankend erhob. Nicht die Harfensaite, sondern etwas anderes. Ich hatte es für Erde gehalten, aber in Wirklichkeit war seine Farbe dafür zu hell gewesen. Ich hatte damals nicht weiter darüber nachgedacht, doch jetzt verstand ich, dass die ganze Auferstehung eine List gewesen war, und ich setzte mich aufs Vordeck der Swan spürte, wie die letzten Überbleibsel meines Traums in sich zusammenfielen. Ich würde kein König sein. »Woher wisst Ihr das alles?«, fragte ich bitter. »König Æthelstan ist kein Narr. Er hat seine Späher.« Pyrlig legte mir die Hand auf den Arm. »War es sehr überzeugend?« »Sehr«, sagte ich, immer noch voller Bitterkeit. »Er ist einer von Haestens Leuten, und wenn wir ihn je zu fassen bekommen, schicken wir ihn geradewegs in die Hölle. Was hat er Euch erzählt?« »Dass ich König von Mercien würde«, sagte ich leise. Ich sollte König über Sachsen und Dänen werden, ein Feind der Waliser, König zwischen den Flüssen, und Herr über alle, die ich regierte. »Ich habe ihm geglaubt«, sagte ich reuig. »Aber wie solltet Ihr König von Mercien werden«, fragte Pyrlig, »wenn Euch nicht Alfred dazu macht?« »Alfred? «
»Ihr habt ihm Euren Schwur geleistet, oder habt Ihr das nicht getan?«
Es
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