Schwertgesang
beschämte mich, die Wahrheit zu sagen, doch ich tat es trotzdem. »Ja«, räumte ich ein.
»Und deshalb muss ich es ihm erzählen«, sagte Pyrlig ernst, »denn ein Mann, der seinen Eid bricht, ist ein schwerwiegender Fall, Herr Uhtred.« »So ist es«, stimmte ich zu.
»Und Alfred hat das Recht, Euch zu töten, wenn ich es ihm erzähle.«
Ich zuckte die Schultern.
»Besser man hält seinen Schwur«, sagte Pyrlig, »als von Männern zum Narren gehalten zu werden, die aus einem lebendigen Mann eine Leiche machen. Die Parzen sind nicht auf Eurer Seite, Herr Uhtred. Glaubt mir.«
Ich sah ihn an, und in seinen Augen stand Mitleid. Er mochte mich, und doch erklärte er mir, dass ich zum Narren gehalten worden war, und er hatte recht, mein ganzer schöner Traum zerplatzte. »Welche Wahl habe ich noch?«, fragte ich ihn niedergeschlagen. »Ihr wisst, dass ich nach Lundene gegangen bin, um mich ihnen anzuschließen, und Ihr müsst Alfred davon berichten, und er wird mir niemals mehr vertrauen.« »Ich bezweifle, dass er Euch bisher vertraut hat«, sagte Pyrlig heiter. »Alfred ist ein weiser Mann. Aber er kennt Euch, Uhtred, er weiß, dass Ihr ein Krieger seid, und er braucht Krieger.« Er hielt inne, um das hölzerne Kreuz hervorzuziehen, das um seinen Hals hing. »Schwört darauf«, sagte er. »Was schwören?«
»Dass Ihr Euren Eid auf Alfred nicht brechen werdet! Tut es, und ich werde schweigen. Tut es, und ich werde leugnen, was vorgefallen ist. Tut es, und ich werde Euch schützen.« Ich zögerte.
»Wenn Ihr Euren Eid auf Alfred brecht«, sagte Pyrlig, »dann seid Ihr mein Feind und ich bin gezwungen, Euch zu töten.«
»Glaubt Ihr, dazu wärt Ihr in der Lage?« Ein mutwilliges Grinsen breitete sich über sein ganzes Gesicht aus. »Ach, Ihr mögt mich, Herr, obwohl ich ein Waliser bin und noch dazu ein Priester, und Ihr würdet zögern, wenn Ihr mich töten wolltet. Ich hätte drei Hiebe, bevor Ihr Euch der Gefahr bewusst wärt, und so, ja, Herr, so würde ich Euch töten.«
Ich legte meine Rechte auf das Kreuz. »Ich schwöre es«, sagte ich.
Und ich blieb weiter Alfreds Mann.
DREI
Noch am gleichen Abend erreichten wir Coccham, und ich beobachtete, wie sich Gisela, die das Christentum ebenso wenig liebte wie ich, bald von Pyrligs Wesen einnehmen ließ. Er umschmeichelte sie auf schamloseste Art, überschüttete sie mit Artigkeiten und spielte mit unseren Kindern. Wir hatten damals zwei, und das Glück war uns treu geblieben, denn beide Kinder und ihre Mutter hatten die Geburt überlebt. Mein Ältester hieß Uhtred. Mein Sohn. Er war vier Jahre alt, besaß ebenso goldfarbenes Haar wie ich und ein kräftiges kleines Gesicht mit einer breiten Nase, blauen Augen und einem eigensinnigen Kinn. Ich liebte ihn. Meine Tochter Stiorra war zwei Jahre alt. Sie trug einen merkwürdigen Namen, und zuerst hatte er mir nicht gefallen, aber Gisela hatte mich so eindringlich darum gebeten, und ich konnte ihr ohnehin kaum etwas abschlagen, und ganz bestimmt nicht, den Namen ihrer Tochter auszusuchen. Stiorra bedeutete einfach »Stern«, und Gisela schwor, dass wir uns unter einem glücklichen Stern begegnet waren und dass unsere Tochter unter demselben Stern geboren war. Ich hatte mich damals schon an den Namen gewöhnt und liebte ihn genauso, wie ich das Kind liebte, das die dunklen Haare seiner Mutter und ihr schmales Gesicht und ihr unvermitteltes verschmitztes Lächeln hatte. »Stiorra, Stiorra!«, sagte ich, wenn ich sie kitzelte oder sie mit meinen Armringen spielen ließ. Stiorra, die wunderschöne. Ich spielte mit ihr an dem Abend, bevor Gisela und ich nach Wintanceaster aufbrachen. Es war Frühling und die Temes war so weit gesunken, dass die Flussauen wieder zu sehen waren, und über der ganzen Welt lag ein grüner Hauch, als die Bäume zu knospen begannen. Die ersten Lämmer stakten über Wiesen, die vor lauter Schlüsselblumen leuchteten, und die Amseln erfüllten den Himmel mit ihrem trillernden Gesang. Die Lachse waren in den Fluss zurückgekehrt, und unsere geflochtenen Weidenreusen brachten guten Fang ein. Die Birnbäume in Coccham waren voller Knospen und genauso voller Finken, die wir von kleinen Jungen verscheuchen ließen, damit wir im Sommer etwas von den Früchten hatten. Es war eine gute Zeit im Jahr. Die Zeit, in der die Natur sich wieder regte und die Zeit, in der wir zur Hochzeit von Alfreds Tochter Æthelflaed mit meinem Cousin Æthelred in die Hauptstadt von Wessex gerufen worden waren. Und an
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