Schwertgesang
ganzes Leben lang bedauert habe. Er starrte mich finster an, und ich antwortete ihm mit einem fröhlichen Grinsen, von dem ich wusste, dass es ihn ärgern würde.
Alfred sah bei meinem Eintreten nicht von seiner Beschäftigung auf, doch er machte mit seiner Feder eine Geste in meine Richtung. Die Geste war offensichtlich mein Willkommensgruß. Er stand an dem hohen Pult, an dem er gewöhnlich schrieb, und einige Augenblicke lang war nichts zu hören als die Feder, die spritzend über die Tierhaut kratzte. Æthelred lächelte feixend und schien sehr zufrieden mit sich selbst, doch andererseits war das bei ihm immer so.
»De consolationephilosophiae«, sagte Alfred, ohne von seiner Arbeit aufzublicken.
»Sieht nach Regen aus«, sagte ich, »im Westen liegt Dunst am Himmel, Herr, und der Wind hat aufgefrischt.«
Er warf mir einen verärgerten Blick zu. »Was ist in diesem Leben erstrebenswerter«, fragte er, »und reizvoller, als in der Nähe des Königs sein und ihm dienen zu dürfen?«
»Nichts!«, kam es schwärmerisch von Æthelred. Ich gab keine Antwort, denn ich war viel zu erstaunt. Alfred legte Wert auf Förmlichkeit und gute Sitten, Unterwürfigkeit verlangte er nicht, doch diese Frage legte nahe, dass er von mir erwartete, tölpelhaft Bewunderung für ihn auszudrücken. Alfred bemerkte meine Überraschung und seufzte. »Diese Frage«, erklärte er, »wird in dem Werk gestellt, das ich hier abschreibe.«
»Ich bin begierig darauf, es lesen zu können«, sagte Æthelred. Asser sagte nichts. Er beobachtete mich mit seinen düsteren Waliseraugen. Asser war ein kluger Mann und ungefähr so vertrauenswürdig wie ein hungriges Wiesel.
Alfred legte die Feder nieder. »Der König, Herr Uhtred, kann in diesem Zusammenhang als der Vertreter des allmächtigen Gottes verstanden werden, und die Frage verweist auf das Wohlbehagen, nicht wahr, das man durch die Nähe zu Gott gewinnen kann. Ist es nicht so? Allerdings befürchte ich, dass du weder in der Philosophie noch in der Religion Trost findest.« Er schüttelte den Kopf und versuchte dann, sich mit einem feuchten Tuch die Tinte von den Fingern zu wischen.
»Er würde allerdings besser daran tun, bei Gott seinen Trost zu suchen, Herr König«, Asser hatte zum ersten Mal gesprochen, »wenn seine Seele nicht im ewigen Höllenfeuer brennen soll.« »Amen«, sagte Æthelred. Alfred sah sich betrübt seine Hände an, die nun völlig mit Tinte verschmiert waren. »Lundene«, sagte er und wechselte damit kurz angebunden den Gesprächsgegenstand.
»Besetzt von Plünderern«, sagte ich, »die den Handel zum Erliegen bringen.« »So viel weiß ich selbst«, erwiderte er kalt. »Dieser Mann Sigefrid.«
» EinDaumenSigefrid «, sagte ich,» dank Pater Pyrlig.«
»Das weiß ich ebenfalls«, erklärte der König, »aber was ich nur allzu gern wüsste, ist, was du in der Gesellschaft Sigefrids zu tun hattest.« »Ich habe sie ausgekundschaftet, Herr«, sagte ich gutgelaunt, »gerade so, wie Ihr vor all den Jahren Guthrum ausgekundschaftet habt.« Ich sprach von der Winternacht, in der sich Alfred, närrisch wie er war, als Musiker verkleidet und nach Cippanhamm geschlichen hatte, das Guthrum besetzt hatte, der damals noch ein Feind von Wessex gewesen war. Alfreds Tapferkeit hatte sich böse gegen ihn gewendet, und wäre ich nicht da gewesen, so wage ich zu behaupten, dann wäre Guthrum König von Wessex geworden. Ich lächelte Alfred an, und er wusste, dass ich ihn daran erinnerte, sein Leben gerettet zu haben, doch statt Dankbarkeit zu zeigen, wirkte er einfach nur empört.
»Das ist aber nicht, was uns berichtet wurde.«
Bruder Asser stürzte sich in den Angriff.
»Und was wurde Euch berichtet, Bruder?«, fragte ich.
Er hob seinen mageren Zeigefinger. »Dass Ihr zusammen mit dem Seeräuber Haesten in Lundene eingetroffen seid«, ein zweiter Finger gesellte sich zu dem ersten, »dass Ihr von Sigefrid und seinem Bruder Erik willkommen geheißen wurdet«, mit heimtückisch blitzenden schwarzen Augen hielt er inne, und dann hob er einen dritten Finger, »und Euch diese Heiden als König von Mercien angeredet haben.« Langsam krümmte er die drei Finger, als wären seine Beschuldigungen unwiderlegbar.
Ich schüttelte in gespielter Verwunderung den Kopf. »Ich kenne Haesten, seit ich ihm vor vielen Jahren das Leben gerettet habe«, sagte ich, »und ich habe diese Bekanntschaft ausgenutzt, um nach Lundene eingeladen zu werden. Und wessen Schuld ist es, wenn mich Sigefrid mit
Weitere Kostenlose Bücher