Schwertgesang
Schiff kippte, und dann gab es ein Knacken, als würden die Tore zur Totenhalle Odins zugeschlagen, und ich wurde herumgeschleudert, während uns immer neue Wassermassen unter sich begruben. Wir waren auf Stein gelaufen, so dachte ich, und wartete darauf zu ertrinken, und ich erinnerte mich sogar daran, nach Schlangenhauchs Heft zu greifen, damit ich mit meinem Schwert in der Hand starb, aber dann richtete sich das Schiff schwankend auf, und ich verstand, dass der laute Schlag von den Rudern gestammt hatte, die nach der Brücke krachend ins Wasser gefahren waren, und dass wir noch lebten. »Rudert!«, brüllte Ralla. »Rudert, ihr glücklichen Hunde!«
Das Wasser stand hoch im Kielraum, aber unser Schiff war unbeschädigt, und am östlichen Himmel rissen die Wolken auf und im dämmrigen Licht sahen wir die Stadt, und wir sahen die Stelle, an der die Stadtmauer eingerissen worden war. »Und das Übrige«, sagte Ralla, und aus seiner Stimme klang Stolz, »liegt nun bei Euch, Herr.« »Es liegt bei den Göttern«, sagte ich, und als ich mich umdrehte, sah ich Osrics Schiff, das sich aus dem Mahlstrom der Wasserschnellen kämpfte. So waren unser beider Schiffe durchgekommen, und die starke Strömung trug uns flussab an der Stelle vorbei, an der wir landen wollten, aber die Ruderer wendeten und kämpften gegen die Fluten, sodass wir den Anlegeplatz aus Richtung Osten erreichten, und das war gut so, denn nun würde jeder, der uns sah, annehmen, dass wir von Beamfleot flussauf gerudert waren. Sie würden uns für Dänen halten, die zur Verstärkung der Festung gekommen waren, die sich auf Æthelreds Angriff vorbereitete. Ein großes Schiff, das für weite Fahrten übers Meer gebaut war, lag an der Anlegestelle, an der wir landen wollten. Ich konnte es genau erkennen, denn Fackeln loderten an der weißen Mauer des Herrenhauses, zu dem die Anlegestelle gehörte. Es war ein schönes Schiff, sein Vordersteven und sein Heck schwangen sich in stolze Höhe. Köpfe von Untieren waren nicht zu sehen, denn kein Nordmann würde mit diesen geschnitzten Köpfen die Geister eines befreundeten Landes erschrecken. Ein einzelner Mann befand sich an Bord und sah uns beim Näherkommen zu. »Wer seid Ihr?«, rief er. »Ragnar Ragnarson!«, rief ich zurück. Ich warf ihm ein Tau aus Walrosshaut zu. »Wird schon gekämpft?«
»Noch nicht, Herr«, sagte er. Er nahm das Tau und wand es um den Vordersteven seines Schiffs. »Aber wenn es so weit ist, werden sie allesamt abgeschlachtet!«
»Also kommen wir nicht zu spät?«, sagte ich. Ich schwankte, als unser Schiff leicht gegen das andere lief, dann stieg ich auf eine der leeren Ruderbänke. »Wem gehört dieses Schiff?«, fragte ich den Mann. »Sigefrid, Herr. Der Wellenbändiger.« »Ein wundervolles Schiff«, sagte ich. Dann wandte ich mich um. »An Land!«, rief ich auf Englisch und sah zu, wie meine Männer Schilde und Waffen aus dem überfluteten Kielraum zogen. Osrics Schiff kam hinter uns herein, es lag tief im Wasser, und mir wurde klar, dass es halb überschwemmt gewesen sein musste, während es durch die Lücke in der Brücke geschnellt war. Männer begannen, auf den Wellenbändiger überzusteigen, und der Nordmann, der mein Tau genommen hatte, bemerkte die Kreuze, die manche von ihnen um den Hals hängen hatten.
»Ihr ...«, fing er an und stellte dann fest, dass er nichts weiter zu sagen hatte. Er wandte sich halb um, weil er sich an Land retten wollte, doch ich hatte ihm den Weg abgeschnitten. In seinem Gesicht stand Entsetzen, Entsetzen und Verwirrung. »Leg deine Hand an den Griff deines Schwertes«, sagte ich und zog Schlangenhauch. »Herr«, sagte er, als wolle er um sein Leben flehen, aber dann verstand er, dass sein Leben zu Ende war, weil ich ihn nicht verschonen konnte. Ich konnte ihn nicht gehen lassen, weil er Sigefrid sofort von unserer Ankunft berichtet hätte, und wenn ich ihn an Händen und Füßen gefesselt auf dem Wellenbändiger ückgelassen hätte, dann wäre er vielleicht von jemandem gefunden und befreit worden. All das wusste er, und auf seiner Miene wurde die Verwirrung von Trotz abgelöst, und statt einfach die Hand um den Griff seines Schwertes zu legen, fing er an, die Waffe aus der Scheide zu ziehen. Und starb.
Schlangenhauch fuhr ihm in die Kehle. Kraftvoll und schnell. Ich fühlte seine Spitze groben Stoff und Muskeln durchbohren. Sah das Blut. Sah seinen Arm herabfallen und seine Klinge in die Scheide zurückrutschen, und ich griff mit meiner linken
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