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Schwester der Finsternis - 11

Schwester der Finsternis - 11

Titel: Schwester der Finsternis - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Goodkind
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könne. Als einer seiner Steinbehauer krank wurde, bat man Richard, beim Behauen der Granitblöcke für die Steinmetze einzuspringen.
    Hammer und Meißel in der Hand zu halten, Steine zu behauen – und sie nach seinem Willen zu gestalten – kam für ihn einer Offenbarung gleich. In mancherlei Hinsicht glich es dem Schnitzen von Holz … doch auf gewisse Weise war es weit mehr als das.
    Von Zeit zu Zeit schaute der Meister, die Fäuste in die Hüften gestemmt, Richard zu, wie er rechtwinklige Kanten in den harten Granit meißelte; gelegentlich korrigierte er Richards Arbeitsweise mit barscher Stimme. Nach einer Weile, nachdem der Meister erkannt hatte, dass Richard Gefallen an der Arbeit fand und einen Block auf Maß behauen konnte, machte er sich nicht mehr die Mühe, ihn zu beaufsichtigen. Nicht lange, und Richards Blöcke galten unter den Steinmetzen bei Grund- und Ecksteinen als erste Wahl.
    Andere Steinbehauer trafen ein, um anspruchsvollere Arbeiten auszuführen – den Fassadenschmuck. Kurz nach ihrem Erscheinen war Richard noch ganz versessen darauf, ihre Arbeiten zu sehen. In die Fassade aus Steinquadern, die den Eingang einfassen sollte, schlugen sie eine riesige, das Licht des Schöpfers darstellende Flamme; darunter meißelten sie eine geduckt kauernde Menschenmenge.
    Richard hatte an den verschiedenen Orten, die er besucht hatte – angefangen im Palast der Konfessoren in Aydindril bis hin zum Palast des Volkes in D’Hara – eine ganze Reihe von Steinmetzarbeiten gesehen, doch noch nie hatte er etwas diesen Figuren Vergleichbares erblickt, deren Entstehung er jetzt an dem Gebäude in Tanimura verfolgen konnte. Sie ließen jegliche Eleganz und Pracht vermissen, noch hatten sie etwas Anregendes, ganz im Gegenteil: Es waren missgestaltete, grobschlächtige, kriecherische Gestalten, die sich unter dem Licht zu ducken schienen. Einer der Künstler erklärte Richard, dies sei die einzig korrekte Art, den Menschen darzustellen – als lasterhaft, abstoßend und sündig. Richard konzentrierte sich weiter darauf, rechteckige Steinquader zu behauen.
    Mit Fertigstellung der Steinmetzarbeiten für das Hauptquartier der Imperialen Ordnung endete auch seine Arbeit. Die Zimmerleute benötigten keine Helfer mehr, doch die Künstler sagten, sie könnten noch jemanden gebrauchen, der ihnen half, die Seelenqual der Menschen in Stein zu meißeln, und boten Richard diese Stelle an. Er lehnte ab, indem er ihnen erklärte, er habe kein Talent für die Bildhauerei. Zudem war Nicci schon seit einer Weile ganz versessen darauf, weiterzuziehen. Tanimura war nur eine Gelegenheit gewesen, sich etwas Geld zu verdienen, um für die lange Reise, die vor ihnen lag, Vorräte einzukaufen. Richard war froh, den deprimierenden Anblick dieser Steinmetzarbeiten hinter sich lassen zu können.
    Überall auf ihrem Weg nach Südosten und nach Altur’Rang sah Richard in den Städten, durch die sie kamen, zahlreiche Bildhauerarbeiten an Gebäuden und weit mehr noch frei stehend auf öffentlichen Plätzen oder vor Gebäudeeingängen. Es waren ausnahmslos Darstellungen grauenhafter Dinge: Menschen, die von einem hämischen Hüter der Unterwelt ausgepeitscht wurden; Menschen, die sich eigenhändig die Augen ausstachen; leidende Menschen mit verdrehten, missgestalteten und verkrüppelten Körpern; Menschen, die Hundemeuten gleich auf allen vieren laufend über Frauen und Kinder herfielen; Menschen, die bis zu wandelnden Skeletten abgemagert oder mit Schwären übersät waren; erbärmliche Gestalten, die sich in Gräber stürzten. In den meisten dieser Szenen wachte das Licht des allwissenden Schöpfers in Gestalt einer Flamme über die bedauernswerten Menschen.
    Die Alte Welt war eine einzige Verherrlichung des Elends.
    Auf ihrem Weg nach Süden hatten sie in einer Reihe von Städten Halt gemacht, wo es Richard gelang, niedere Arbeiten für einen so begrenzten Zeitraum aufzutun, dass man sich in keine Wartelisten einzutragen brauchte. Nicci und er durchlebten Phasen, in denen sie sich von größtenteils aus Wasser bestehender Kohlsuppe ernährten. Manchmal gab es Reis oder Linsen oder Buchweizenbrei, und ab und zu sogar gepökeltes Schweinefleisch. Hin und wieder gelang es Richard, Fische, Vögel oder auch mal einen einzelnen Hasen zu fangen. Sich selbst zu versorgen erwies sich in der Alten Welt jedoch als schwierig, da eine Menge andere Leute auf dieselbe Idee gekommen waren. Beide waren sie auf ihrem langen Marsch hagerer geworden, und

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