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Schwester der Finsternis - 11

Schwester der Finsternis - 11

Titel: Schwester der Finsternis - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Goodkind
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nehmen wollte. Eine Vielzahl von Anstrichen in den unterschiedlichsten Farben hatte die kleinen Fensterglasquadrate undurchsichtig gemacht. Durch ein winziges Dreieck, wo das Glas herausgebrochen war, konnte Richard die graue Mauer des gegenüberliegenden Gebäudes erkennen.
    »Wie bist du hier reingekommen?«, fuhr Nicci ihn barsch an. »Mit dem Hauptschlüssel.« Er wedelte damit hin und her, wie mit einem Pass des Königs. »Mein Vater ist hier der Wirt, müsst ihr wissen. Ich habe eure Sachen bloß nach umstürzlerischen Schriften durchsucht.«
    »Du kannst tatsächlich lesen?«, meinte sie spöttisch. »Das müsste ich hören und sehen, um es zu glauben.«
    Das trotzige Grinsen geriet keinen Augenblick ins Wanken. »Wir würden es gar nicht gerne sehen, wenn wir Umstürzler unter unserem Dach wohnen hätten. Sie könnten alle anderen in Gefahr bringen. Mein Vater ist verpflichtet, alle verdächtigen Umtriebe sofort zu melden.«
    Richard trat beiseite, um den jungen Mann auf seinem Weg zur Tür vorbeizulassen, doch als der Bursche die Kerze aufnahm, hielt er ihn am Arm fest.
    »Die Kerze gehört uns«, sagte Richard.
    »Ach ja? Und wie kommst du auf die Idee?« Richard schloss seinen Griff fester um den nackten, hageren, aber muskulösen Arm. Ihm in die Augen sehend, deutete er auf die Kerze.
    »Auf der Unterseite sind unsere Initialen eingeritzt, dort.«
    Instinktiv, ohne nachzudenken, drehte der junge Kerl die Kerze herum, um nachzusehen. Das heiße Wachs lief über seine Hand, woraufhin er die Kerze mit einem Aufschrei fallen ließ.
    »Oje, das tut mir Leid«, meinte Richard. Er bückte sich und hob die Kerze auf. »Ich hoffe doch, du bist nicht verletzt. Du hast doch nichts von dem heißen Wachs in die Augen bekommen, oder? Heißes Wachs in den Augen ist äußerst schmerzhaft.«
    »Ach ja?« Er wischte sich sein glattes, schwarzes Haar aus dem Gesicht. »Und woher willst du das wissen?«
    »Da, wo ich herkomme, habe ich gesehen, wie einem armen Teufel so etwas passierte.«
    Richard beugte seinen Oberkörper hinaus in den Flur und in den Schein eines anderen, auf einem Sims stehenden Wachslichts und tat, als ritze er mit dem Daumennagel ein R und ein C in die Unterseite der Kerze. »Siehst du, hier: meine Initialen.«
    Der Junge sah nicht einmal hin. »Schon gut.«
    Er wankte zur Tür hinaus. Richard begleitete ihn und entzündete ihre Kerze an der Flamme der im Flur brennenden. Bevor er sich entfernte, drehte sich der junge Kerl noch einmal um, einen überheblichen Ausdruck im Gesicht.
    »Wie kann man nur so blöde sein, heißes Wachs in die Augen zu bekommen? War das auch so ein stumpfsinniger Ochse wie du?«
    »Nein«, meinte Richard ganz beiläufig. »Ganz im Gegenteil. Er war ein dreister, ziemlich hochnäsiger Bursche, der den Fehler beging, die Ehefrau eines anderen anzufassen. Der Ehemann war es, der ihm das heiße Wachs in die Augen träufelte.«
    »Ach ja? Und wieso hat der dämliche Trottel nicht einfach die Augen zugemacht?«
    Zum ersten Mal bekam Richards Lächeln, als er den jungen Mann ansah, etwas Tödliches.
    »Weil man ihm zuvor die Lider abgeschnitten hatte, damit er sie nicht schließen konnte. Siehst du, da, wo ich herkomme, kann einer, der eine Frau gegen ihren Willen anfasst, nicht auf Nachsicht rechnen.«
    »Hört, hört.«
    »Ja. Die Lider waren übrigens nicht das Einzige, was man dem jungen Mann abgeschnitten hat.«
    Der junge Bursche wischte sich abermals das Haar aus dem Gesicht. »Willst du mir etwa drohen, du Ochse?«
    »Nein. Nichts, was ich tun kann, könnte dir mehr schaden als das, was du dir schon lange selber antust.«
    »Was soll denn das jetzt heißen?«
    »Aus dir wird nie etwas werden, du wirst immer der wertlose Dreck bleiben, den andere sich von ihren Schuhen kratzen. Man hat nur ein einziges Leben, und du bist auf dem besten Wege, deines zu vergeuden. Das ist eine entsetzliche Schande. Ich bezweifele, ob du jemals erleben wirst, was es heißt, wirklich glücklich zu sein, jemals etwas von Bedeutung zu Stande zu bringen, jemals aufrichtig stolz auf dich zu sein. All das brockst du dir selber ein, etwas Schlimmeres könnte ich dir unmöglich antun.«
    »Ich kann nicht ändern, was das Leben für mich bereit hält.«
    »Doch, das kannst du. Jeder schafft sich sein eigenes Leben.«
    »So? Wie kommst du denn auf die Idee?«
    Richard deutete um sich. »Schau dir doch den Schweinestall an, in dem du haust. Dein Vater ist der Hauswirt. Wieso beweist du nicht ein bisschen

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