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Schwester der Finsternis - 11

Schwester der Finsternis - 11

Titel: Schwester der Finsternis - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Goodkind
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unbehelligt von den Gardisten, die Stufen hinauf. Einige Bürger, die über die gepflasterten Fußwege schlenderten, um sich die Bildhauereien an den Mauern anzusehen, hatten das Geschrei vernommen und wandten sich neugierig um.
    Als Victor und Ishaq die Ebene des Vorplatzes erreichten, löste Nicci die Stricke, packte das Leinentuch mit beiden Händen und riss den Schleier von der Statue.
    Die beiden Männer erstarrten mitten im Schritt.
    Im Halbkreis rings um den Vorplatz waren die Mauern mit der Geschichte der Unzulänglichkeit des Menschen bedeckt, rings um sie herum wurde der Mensch als klein, verdorben, missgestaltet, unfähig, verängstigt, grausam, geistlos, böse, habgierig, korrupt und sündhaft dargestellt. Er wurde gezeigt als auf ewig zerrissen zwischen jenseitigen Mächten, die jeden Aspekt seines jämmerlichen Daseins beherrschten, eines unfassbaren Daseins in einem von Sündhaftigkeit brodelnden Kessel, aus dem allein der Tod Erlösung bot. Wer im Diesseits unter dem Schutz des Lichts des Schöpfers zu Tugendhaftigkeit gelangt war, wirkte leblos, die Gesichter dieser Menschen waren bar jeder Empfindung und Bewusstheit, ihre Körper steif wie die von Toten. Aus leeren, geistlos abgestumpften Augen starrten sie hinaus in die Welt, während sich zwischen ihren Beinen Ratten tummelten, Schlangen sich um ihre Beine wanden und über ihren Köpfen Geier ihre Kreise zogen.
    Inmitten dieses Strudels aus gequältem Leben, dieser Sintflut aus Korruptheit, Verdorbenheit und Laster, erhob sich in kühnem, strahlendem Widerspruch Richards Statue.
    Sie war eine vernichtende Anklage gegen all das, was sie umgab. Das Ausmaß und die Wucht der Hässlichkeit, die Richards Statue umringte, schien zur Bedeutungslosigkeit zu schrumpfen. Die Verderbtheit der Wandreliefs schien jetzt, angesichts dieser reinen, unverdorbenen Schönheit und Wahrhaftigkeit, ihre eigene Unaufrichtigkeit geradezu hinauszuschreien.
    Die beiden Figuren in der Mitte standen da in einer Haltung harmonischer Ausgewogenheit. Der Körper des Mannes offenbarte eine stolze Männlichkeit. Obwohl die Frau bekleidet war, ließ sie an ihrer Weiblichkeit keinen Zweifel. In beiden spiegelte sich eine Liebe für den menschlichen Körper wider, die diesen als sinnlich, würdevoll und rein ansah. Die Verdorbenheit ringsum schien vor dieser Reinheit und Würde geradezu entsetzt zurückzuschrecken.
    Mehr noch aber existierte Richards Statue ganz ohne Widerspruch; die Figuren legten Bewusstheit, Vernunft und Zielbewusstsein an den Tag. Es war eine Offenbarung der Stärke, der Fähigkeit und wahren Bestimmung des Menschen. Dies war das Leben, das man um seiner selbst willen lebte.
    Dies war die Menschheit, die sich aus freiem Willen stolz erhob. Es entsprach genau dem einen Wort des Titels auf ihrem Sockel: LEBEN
    Ihre Existenz war der Beweis für die Gültigkeit dieser Idee. Sie war das Leben, so wie es gelebt werden sollte – stolz, von Vernunft gelenkt und niemals als Sklave eines anderen. Sie war die gebührende Begeisterung des Individuums, die Feier der Erhabenheit des menschlichen Geistes.
    Als Antwort hatte alles an den Mauern ringsum nichts als den Tod zu bieten.
    Sie antwortete mit dem Leben.
    Victor und Ishaq lagen weinend auf den Knien.
    Der Schmied hob lachend seine Arme zu der vor ihm stehenden Statue, während ihm Freudentränen über das Gesicht strömten.
    »Er hat es tatsächlich geschafft. Er hat sein Wort gehalten. In Stein wiedergegebenes Fleisch, Erhabenheit und Schönheit.«
    Menschen, die gekommen waren, um die anderen Bildhauereien zu betrachten, begannen sich zu sammeln, um zu sehen, was sich dort mitten auf dem Platz erhob. Sie starrten mit weit aufgerissenen Augen, viele von ihnen zum allerersten Mal mit dem Gedanken konfrontiert, dass der Mensch von Geburt Würde besaß. Diese Aussage war so voller Kraft, dass sie allein alles an den Mauern ringsum zur Bedeutungslosigkeit verdammte.
    Viele wurden beim Betrachten von derselben Erkenntnis ergriffen wie Nicci.
    Die anderen Bildhauer verließen ihre Arbeitsstellen, um zu sehen, was dort mitten auf dem Vorplatz stand; die Steinmetze stiegen von ihren Arbeitsgerüsten herunter, die Zuarbeiter setzten ihre Mörteleimer ab, die Tischler kletterten von ihren Arbeitsplätzen beim Einpassen der Balken herunter, die Dachdecker legten ihre Meißel fort, die Gespannfahrer banden ihre Pferde an, Arbeiter, die mit Umgraben und Bepflanzen des umliegenden Geländes beschäftigt waren, ließen ihre

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