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Schwester der Toten

Schwester der Toten

Titel: Schwester der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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in ein lethargisches Wimmern über. Philip lief es heiß und kalt über den Rücken. Warum gab es kein Erbarmen? Nicht nur für die Kleine. Auch für ihn. Muss weg. Sie hielt den Blick jetzt direkt auf ihn gerichtet. Sah sie ihn etwa durch ihre Tränen hindurch an? Sie öffnete den Mund: »Du da, bitte, hilf mir doch! Bitte!«
    Der Mann hielt in der Bewegung inne. »Mit wem redet sie?«
    »Bist du bescheuert?« Hinter der Kamera ertönte ein wütender Protest. »Du sollst dabei dein Maul halten.«
    »Was hat die Kleine gesagt?«
    »Ist doch egal. Mach weiter.«
    »Nein, verdammt…« Er löste sich von dem Mädchen und trat in den Schatten, geradewegs auf Philip zu. »Verdammt, ist da jemand?«
    »Verfluchte Scheiße«, fluchte die andere Stimme. »Jetzt können wir noch mal von vorn anfangen.«
    Der Mann kam näher, ein schwarzer Schatten vor hellem Licht, ich muss weg hier!, war nicht mehr weit entfernt, streckte seine Arme blindlings in die Dunkelheit jenseits der Scheinwerfer. Eine Hand streifte Philips Wange. Packte ihn an den Schultern. Schüttelte ihn.
    »Ich muss weg hier«, schlängelte sich eine Stimme in sein Bewusstsein.
    »Scheiße, Mann! Geht’s noch lauter?«, fluchte eine andere Stimme. Eine Hand schob seinen Oberkörper herab. »Lass ihn liegen, verdammt. Komm jetzt.«
    Philip riss die Augen auf. Es dauerte eine Weile, bis er begriff, wo er sich befand. Die Zelle. Er lag auf der Pritsche. Natürlich, wo sonst?
    Mittlerweile war die Nacht angebrochen. Trotz der Decke war ihm eisig kalt, als habe jemand die Heizung heruntergedreht. Aber das war bestimmt nur die Reaktion auf das Erlebte. Er versuchte gar nicht erst, sich etwas vorzumachen: Die kleine Lisa war Realität gewesen. Und irgendwie war sie es nicht. Es geschieht schon wieder.
    »Endlich bist du wach«, sagte Carlos und ließ von Philips Schultern ab. »Noch länger, Bruder, und ich wär allein abgehauen.«
    Ich bin nicht dein Bruder, wollte Philip schreien, aber dann sickerte eine andere Botschaft zu ihm durch. Irritiert fragte er: »Abhauen?«
     
     
    Lindisfarne
     
    Beiläufig griff Beatrice zur Teetasse. Sie wollte sich die Bestürzung nicht anmerken lassen, die Angelas Worte bei ihr erzeugten. Doch ihre Hand zitterte. Der Tee schwappte über den Rand und tropfte auf den Boden. Rasch fraß er sich in den Teppich. Keiner von ihnen beachtete das Malheur, selbst der Bobtail blieb unbeeindruckt. Wie ein Wachhund hockte er neben Beatrice.
    »Ich wusste, dass dieser Tag kommen würde«, wiederholte ihre Tante traurig und fügte hinzu: »Aber dass es auf diese Weise geschehen würde, unter diesen Umständen…« Dann festigte sich ihre Stimme: »Aber es ist nicht zu ändern. Es ist passiert.« Genauso gut hätte sie die Börsendaten von Kuala Lumpur aufzählen können.
    Mit großen Augen verharrte Beatrice auf dem Sessel. »Was soll das alles heißen?«
    »Es fällt mir schwer, dir dies zu erklären.«
    »Dann versuche es«, bat Beatrice. »Bitte.«
    Versonnen schaute ihre Tante hinaus in den Garten, doch die akkurat gepflegten Beete lagen in Nachtschwärze. Der Tag war verschwunden, nur der Regen geblieben. In einem fort presste der Wind ihn gegen die Fensterscheiben. Vor noch wenigen Minuten hätte Beatrice den Moment als romantisch empfunden, das Prasseln der Regentropfen, das Kaminfeuer, dazu eine heiße Tasse Tee. Doch jetzt wirkte der Regen nur noch wie der unheimliche Vorbote, der anklopfte, um eine noch schlimmere Nachricht zu überbringen.
    »Es ist zu spät«, meinte Angela.
    Beatrice’ Herz setzte aus. »Zu spät?«
    Angela löste sich aus ihren Gedanken. »Entschuldige, mein Kind. So war das nicht gemeint.« Sie setzte ein freudloses Lächeln auf. »Es ist zu spät, um in die Stadt zu fahren.«
    »In die Stadt?«
    »Nach London.«
    »Nach London?«
    »Es schien uns das Sicherste.«
    »Das Sicherste?« Beatrice wiederholte die Worte ihrer Tante, aber nur in Ermangelung einer Alternative. Gerade eben erst hatte sie sich in dem kleinen Wohnzimmer in dem kleinen Cottage auf der kleinen Insel wohl zu fühlen begonnen. Jetzt wurde ihr ein weiteres Mal der Boden unter den Füßen weggezogen. Wozu das alles? Und warum sie?
    Der Wind peitschte den Regen noch stärker gegen das Glas. Bucks Kehle entrang sich ein dumpfes Knurren, als müsste er seine neue Herrin vor einer drohenden Gefahr bewahren. Dabei ging es doch nur um ihr Erinnerungsvermögen, um sonst nichts. »Das alles klingt so geheimnisvoll.«
    »Das ist es auch«, sagte

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