Schwester Lise
Eirin sah reizend aus.
Fredrik bestritt die Unterhaltung fast allein. Eirin ließ ihn reden. Sie wußte immerhin so viel von Männern, daß sie am liebsten von sich selbst sprachen. Mit der Frage, was er in den letzten zwei Jahren im Ausland getrieben habe, gab sie ihm das Stichwort. Er war also herumgereist, hatte Europa kreuz und quer durchstreift, auch einen Abstecher nach den USA hinüber gemacht. Er hatte ein paar Examen geschafft und war jetzt nach Hause zurückgekehrt, um eine Praxis für Augenkrankheiten zu eröffnen. Er hatte sich ein hübsches Haus am Stadtrand gekauft, in einem Neubau im Zentrum Praxisräume gemietet und besaß natürlich einen todschicken Wagen.
Eirin blinzelte durch den Zigarettendunst und lächelte ihm zu. Das fiel ihr allerdings nicht sonderlich schwer, denn Fredrik Branstad sah so aus, daß man ihm zulächeln mußte, ja, sie hatte Mühe, ihre Rachegelüste ihm gegenüber wachzuhalten, zumal als das Orchester einen Tango anstimmte und sie in Fredriks Armen auf die Tanzfläche hinausschwebte.
Eirin hielt den Atem an. Jetzt - jetzt mußte er sich doch erinnern!
Aber Fredrik - tanzte die gleichen Schritte, den gleichen Rhythmus, nach der gleichen Musik wie damals - und sprach kein Wort. Erst später, als er, ein wenig erhitzt, sie an den Tisch zurückgeführt hatte, sagte er:
„Schwester Lise, ich kann nicht drauf kommen, an wen Sie mich erinnern. Ich meine, ich hätte Sie schon früher einmal getroffen.“ Sie zuckte die Achseln.
„Sie haben sicher viele junge Mädchen auf Ihren Reisen kennengelernt. Denken Sie doch mal nach, vielleicht habe ich eine Doppelgängerin in Italien oder Spanien oder sonstwo!“
„Schon möglich“, sagte Fredrik. „Sie sind ja so dunkel wie eine Spanierin. Schwester Lise, haben Sie schon einmal einen spanischen Kamm oder einen echten spanischen Schal besessen? Können Sie Kastagnetten schlagen? Nicht? Das sollten Sie lernen. Ihr Aussehen verpflichtet Sie dazu.“
Gard bat um einen Tanz. Sie erhob sich - nicht gerade sehr bereitwillig, aber Fredrik sollte sich nicht einbilden, der Favorit des Abends zu sein. Mochte er nur ruhig annehmen, daß Stoff er Gard ein gewisses Anrecht auf sie hatte.
„Schwester Lise“, sagte Gard. „Sie dürfen dem guten Fredrik nicht so den Kopf verdrehen! Er ist ja ganz aus dem Häuschen, der Ärmste!“ Eirin lachte.
„Das wird schon nicht so gefährlich sein. Er sieht so aus, als könnte er was aushalten.“ Gard starrte sie an. „Kleiner Teufel“, entfuhr es ihm.
Eirin schnappte nach Luft.
„Was haben Sie da gesagt?“
„Ich bitte um Entschuldigung! Das ist mir so rausgerutscht. Aber wer soll denn auch ahnen, daß eine Krankenschwester, die ganz harmlos Schwester Lise heißt - man denke bloß, Lise auch noch! -und im blauen Leinenkleid herumläuft und Becken ausgießt, daß die sich als Vamp entpuppt. Schwester Lise! Ich will Ihnen etwas sagen, so daß Sie es ein für allemal wissen: Ich bin tatsächlich bis über beide Ohren in Sie verliebt, und ich könnte mir gut denken, jetzt stehenden Fußes mit Ihnen aufs Standesamt zu rennen. - Lise, du bist ein kleiner Satan, daß du’s weißt, und ich bin ein Narr. Verzeihung, ich habe anscheinend du gesagt, aber macht das denn was - können wir nicht einfach dabei bleiben?“
Eirin lächelte. Dieser „große Junge“ war nun im Krankenhaus ihr Vorgesetzter! Vor ihm mußte sie sich höflich erheben, wenn er sie dienstlich ansprach. Er hatte das Recht, ihr Anweisungen zu geben und Verweise zu erteilen!
Aber weshalb sollte sie sich nicht mit ihm duzen? Fredrik mochte sich ärgern, wenn er hörte, daß sie während dieses Tanzes Brüderschaft geschlossen hatten. Schließlich waren sie ja auch schon alte Bekannte.
„Sehr gern“, sagte sie vergnügt. „Aber den Unfug, den du da eben verzapft hast von Vamp und Standesamt - das vergessen wir!“
Fredrik Brandstad wohnte allein in seiner Villa. Er hatte eine tüchtige Wirtschafterin und richtete sich im übrigen so ein, wie es ihm Spaß machte.
Als er Eirin, Stoffer Gard und noch ein paar andere junge Leute zum Heiligabend einlud, erhielt er von ihnen allen eine begeisterte Zusage. Auch Schwester Ilse war mit von der Partie. Eirin hatte das durchgesetzt.
Fredrik hatte für einen schönen Weihnachtsbaum und für ein ausgezeichnetes Essen gesorgt. Die Stimmung war entsprechend. Als Stoffer Gard in seinem Weihnachtsmannkostüm aus dem Krankenhaus auftrat, erreichte sie ihren Höhepunkt.
Er zauberte aus seinem
Weitere Kostenlose Bücher