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Schwester Lise

Schwester Lise

Titel: Schwester Lise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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-, ich glaube wirklich, ich bin in dich verliebt!“
    Eirin hüpfte das Herz in der Brust. Jetzt schon! Sollte der Augenblick ihres Triumphes so nahe sein?
    Aber - die süße Rache hatte einen bitteren Beigeschmack. Die Situation war eigentlich gar nicht amüsant. Denn Fredriks Augen hatten eine dunklere Farbe und blitzten stärker als je zuvor, und seine Stimme war noch verschleierter als damals.
    Sie schloß die Augen. Nimm dich zusammen, Eirin! Bleib mit den Füßen auf der Erde!
    „Lise“, flüsterte er. Da fühlte sie seinen Arm unter ihrem Nacken. Sein Atem berührte ihr Gesicht. „Lise! Fühle, wie mein Herz klopft.“ Er nahm ihre Hand und legte sie auf seine Brust. Wahrhaftig! Sein Herz klopfte!
    So klopft es für mich - für mich -, jubelte es in ihr. Ich habe ihn soweit, wie ich ihn haben will - und jetzt wird er an die Kette gelegt, er soll es zu spüren bekommen, was es heißt, Tag für Tag herumzurennen und immer an denselben Menschen denken zu müssen -
    „Lise“ - er strich mit seinem Mund über ihr Haar. Wo soll das hinführen? schoß es ihr durch den Kopf. Meinte er es etwa doch ernst? Dann sah alles ganz anders aus! Ihre Gedanken machten einen Seitensprung: Fredrik war in der Tat ein bestrickender Mann - er hatte Geld - eine Stellung - seine Frau hatte sicher einmal Pelze und schöne Kleider, Modellhüte und Schmuck. Seine Frau konnte in einem Bridgeklub sein und zu allen Premieren gehen. Fredrik war Augenspezialist, er wurde nicht herausgerufen nachts. Er saß in seinem hellen, eleganten Sprechzimmer, in seiner Praxis gab es keine blutigen Verbände, keine Knochenbrüche, keinen erbrochenen Mageninhalt, keinen Eiter oder Urinproben. Fredrik konnte einer Frau ein schönes Leben bieten.
    Wenn sie es darauf anlegte, könnte sie ihn vielleicht noch an diesem Abend dazu bringen, ihr einen Heiratsantrag zu machen.
    „Lise“, flüsterte er von neuem. Und sie wußte, in der nächsten Sekunde würde er sie küssen.
    Weg war der Zauber. Das könnte ihm so passen!
    Sie entwand sich ihm und stand auf. Es gelang ihr zu lächeln.
    „Nein, du darfst nun nicht vergessen, daß du Gastgeber bist, Fredrik! Du hast noch andere Gäste als mich!“
    Fredrik sah sie an. Er atmete schnell. Seine Augen blitzten.
    „Kleine Hexe!“ flüsterte er rauh. „Warte nur, ich krieg’ dich schon dahin, wo ich dich hinhaben will!“
    Dann fuhr er sich schnell mit der Hand durchs Haar und ging hinaus.
    Eirin aber blieb noch einen Augenblick stehen. Sie hatte gesiegt, über ihn und über sich selbst gesiegt! O ja, sie war in diesen beiden Jahren stark geworden!
    Und jetzt hatte Fredrik den Krieg erklärt. Nun wohl, sie war nicht bange. Er würde ja sehen!
    Sie warf den Kopf ruckartig nach hinten und ging lächelnd in das Kaminzimmer zurück. Sie setzte sich neben Ilse, und es dauerte nicht lange, da gaben sie Geschichten aus dem Krankenhaus zum besten, die eine komischer als die andere.
    In einem kleinen Eßzimmer mit Petroleumlampe und Schnitzereien im Drachenstil saßen drei Menschen bei ihrem Weihnachtsbraten. Draußen herrschten rabenschwarze Finsternis und eisige Kälte. Im Räume aber war es traulich und schön. Die Holzscheite in dem altmodischen Ofen prasselten. Es duftete herrlich nach festlichem Essen.
    „Etwas mehr Braten, Schwester Vera?“
    Schwester Vera nahm Tante Bertha mit einem gewinnenden Lächeln die Platte aus der Hand und reichte sie an Halfdan weiter:
    „Darf ich bitten - “ Schwester Vera ging in die Küche, um die Soßenschüssel aufzufüllen.
    Tante Bertha schaute zu Halfdan hinüber. Dann hob sie ihr Glas. „Zum Wohl, Halfdan!“
    Er nickte nur. Sie tranken sich zu. Jeder wußte, was der andere dachte. Und ihre Gedanken waren stark und voll Liebe. -
    Als Eirin sich kühl und ruhig aus dem Sessel erhob, wußte sie selbst nicht, woher sie die Kraft dazu nahm. Sie wußte nicht, daß hoch oben in Frostviken die beiden Menschen zusammensaßen, die sie am meisten in der Welt liebten, und ihre innigen Gedanken und Wünsche zu ihr hinunterschickten. Sie wußte nicht, daß es die große, echte Liebe war, die den Weg zu ihr fand und ihr zu Hilfe eilte, als sie ihrer am meisten bedurfte.

19
    Liebste Tante Bertha! 4. Mai
    Trotz aller guten Vorsätze muß ich mein Schweigen brechen. Fast zweieinhalb Jahre habe ich mich zurückgehalten, nur gearbeitet und versucht, ein erwachsener, vernünftiger Mensch zu werden, oder besser: versucht, Halfdans würdig zu werden.
    Aber in den letzten Monaten bin ich ein

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