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Schwester Lise

Schwester Lise

Titel: Schwester Lise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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wenig aus dem Gleichgewicht geraten. Und nun darf ich an Dich schreiben und ein wenig Ordnung in die Dinge bringen. Diese Zeilen sind nur für Dich bestimmt, nicht für Halfdan. Weshalb ich darauf bedacht war, jegliche Verbindung mit Euch abzubrechen, weißt Du ja. Aber es gelang mir nicht, mich auch hier allem zu verschließen. Ich bin mit Menschen zusammengekommen, die Halfdan kennen. Und es ist mir öfter zu Ohren gekommen, daß er heiraten will! - oder schon verheiratet ist -, und zwar mit seiner Sprechstundenhilfe. Tante Bertha, ich habe nicht die Gabe, die Worte in Watte zu packen, mag auch nicht Komödie spielen. Sei so lieb und sage mir, ob es wahr ist. Wenn es wahr ist, habe ich nichts dazu zu sagen. Ich habe versagt, und wahrscheinlich ist es dumm von mir gewesen, so lange Zeit heimlichzutun. Vielleicht habe ich mich verrechnet in der Annahme, Halfdan würde sich darauf einlassen, jahrelang in Ungewißheit zu warten, bis es mir gefiele, einen Laut von mir zu geben. Ich verdiene es also wohl nicht besser. Aber, liebste Tante Bertha, schreib mir und erzähle mir darüber. Du brauchst Dich nicht zu scheuen, mir reinen Wein einzuschenken. Ich gehe nicht ins Wasser und nehme kein Veronal. Ich möchte nur gern Gewißheit haben. Wenn es nämlich so ist, daß ich Halfdan aus meinen Gedanken verbannen muß, so will ich zusehen, daß ich mein Leben auf einer anderen Grundlage auf baue - wenn ich eine finde!
    Sonst geht es mir gut. Ich habe viel zu tun, bin gesund und fand nette Freunde. Ja, was diese betrifft, so bin ich in der merkwürdigen Lage, daß ich von einem interessanten Mann glühend verehrt werde, von einem Arzt mit eigener Villa, eigenem Wagen, großem Bankkonto und guter Spezialpraxis. Ich könnte also sicher ,mein Glück machen’, wie es heißt. Ich brauchte mich nur von dem sentimentalen Vorurteil frei zu machen, eine große Liebe allein sei die einzige Vorbedingung für eine Ehe.
    Diesen Freund habe ich mir nun einige Monate lang mühsam vom Leibe gehalten, genauer: schon seit Weihnachten. Zum Glück habe ich im Moment soviel um die Ohren, daß meine Arbeit wirklich eine gute Entschuldigung ist, um nicht so viel mit ihm Zusammensein zu müssen. Aber vielleicht - vielleicht könnte ich ihn mit der Zeit liebgewinnen, wenn ich jetzt erfahren würde, daß Halfdan wirklich mit mir fertig ist.
    Sei so lieb und schick mir Deine Antwort durch Luftpost, Tantchen.
    Ich hoffe, Dir - ich meine, Euch - geht es gut. Ich denke viel an Euch.
    Deine Eirin
    Der Brief ging am nächsten Tage mit Luftpost ab. Zwei Tage später war er in Frostviken. Und am selben Nachmittag schloß sich Tante Bertha in ihrem Zimmer ein. Sie schrieb, Seite um Seite, schrieb sich alle Gedanken, Sehnsüchte und Wünsche vom Herzen, die sie seit über zwei Jahren in sich verschlossen hatte.
    Unten im Flur lag die Post, die gleich abgehen sollte. Schwester Vera pflegte sie mitzunehmen, wenn sie ihren Nachmittagsspaziergang machte. Tante Bertha legte den Brief mit in den Stapel. Er geriet mitten zwischen ein paar Zeitschriften. Sie dachte nicht weiter darüber nach, wieso Halfdan neuerdings Zeitschriften verschickte, Zeitschriften kamen wohl mit der Post ins Haus.
    Kurz und gut: Schwester Vera ergriff den Stapel. Ach, da lagen auch noch die alten Zeitschriften, die sie vergessen hatte wegzuwerfen! Sie ergriff sie und steckte sie in den Ofen.
    Tante Berthas Brief an Eirin verwandelte sich in grauschwarze Asche.
    Vom Fenster aus sah Tante Bertha die Schwester mit der Posttasche von dannen gehen. In zwei Tagen würde Eirin ihren Brief haben. Jetzt wurde es hell um sie alle. Jetzt würde man endlich Klarheit bekommen und reinen Tisch machen!
    Eirin läutete täglich bei Frau Lindberg an. Täglich war die Antwort die gleiche:
    „Nein, liebes Kind, es ist keine Post gekommen.“
    Schließlich gab Eirin es auf, noch öfter zu telefonieren. Frau Lindberg versprach, ihr sofort Bescheid zu geben, wenn etwas kommen sollte.
    Die Tage gingen hin. Frau Lindberg ließ nichts von sich hören.
    Eirin arbeitete verzweifelt. Sie hatte viel zu tun, und wenn sie keine Arbeit hatte, dann suchte sie sich welche, nur um auf andere Gedanken zu kommen. Warum schrieb Tante Bertha nicht? Was war geschehen, daß Tante Bertha nicht zu schreiben wagte?
    Eirins Angst und Verzweiflung entluden sich in einer einzigen großen, sinnlosen Wut auf Fredrik. Die Blumen, die er ihr schickte, schenkte sie an die Patientinnen weiter. Sie sagte ab, wenn er sie einlud. Sie haßte ihn und

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