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Schwester! • Mein Leben mit der Intensivstation

Schwester! • Mein Leben mit der Intensivstation

Titel: Schwester! • Mein Leben mit der Intensivstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Grunwald
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wieder heraus und drückt genervt einen Tupfer auf die blutende Stelle, atmet tief durch und startet beharrlich einen weiteren Versuch, als nach ein paar Minuten konzentrierten Stechens, Bohrens und leisen Fluchens plötzlich das erlösende «Ha! Treffer versenkt!» ertönt. Der Katheter wird angenäht, ein Pflaster auf die Einstichstelle geklebt. Jetzt kommt mein Auftritt.
    Ich habe mir das Gerät mitsamt dem Zubehör schon im Flur am Arbeitsplatz parat gestellt, stecke den Netzstecker in die Steckdose und schalte das Gerät ein. Die «Niere» startet ihren «Self-Check», es klackt, es piept, auf den verschiedenen Displays tauchen Zahlencodes auf, es piept, die Codes verschwinden, fein, alles korrekt. Eine Fülle etwa fingerdicker Schläuche müssen nun in die zahlreichen Rollerpumpen eingelegt werden, die Messfühler für die Druckmessungen an den einzelnen Schlauchsegmenten angebracht und alles durchgespült werden. Ich frage die Eule, wie viel wir bis zum nächsten Morgen herausfiltern sollen, und suche währenddessen schon den Taschenrechner. Man hat mich in der Schule Polynomdivisionen und Integralrechnungen rechnen lassen, an eine Lektion «Kopfrechnen im Ernstfall» hingegen kann ich mich nicht erinnern. An eine gelungene Polynomdivision allerdings auch nicht.
    Die Menge, die die Eule angeordnet hat, ist hoch. Aber auch die Laborwerte sind hanebüchen hoch, da wird die Kiste richtig ranklotzen, viel spülen und filtern müssen – und wenn man das Gerät einigermaßen kennt, ahnt man, dass es richtig ungemütlich werden kann.
    Im Patientenzimmer mache ich die «Niere» startklar, erneutes Geklacker, Gepiepe, Zahlencodes, und nun kann es losgehen. Ich verbinde die Filterschläuche mit den beiden Enden des Katheters, stelle alle Raten ein, drücke auf «Start», sodass das Blut von Herrn Koller per Rollerpumpe in den Filter gezogen wird – und schon piept es. Die Kiste bleibt stehen. Genauso habe ich mir das vorgestellt. Aber warum geht es nicht? Ich verstehe überhaupt nicht, was das soll. Ich habe den Katheter vorher geprüft, es ließ sich mühelos mit der Spritze Blut anziehen und Kochsalz durchspülen – was soll das hier?! Ich starte das Gerät noch einmal, stelle alles ganz langsam ein, um mich ein bisschen bei der «Niere» einzuschleimen, und widerspenstig fängt die Zicke an, ihre Pumpen zu drehen, regelrecht genervt wirkt sie, fehlt nur noch, dass sie seufzt.
    Wenn hier eine einen Grund zum Seufzen hat, dann bin das ja wohl ich!
    Das Blut von Herrn Koller fließt nun zwar da hin, wohin es soll, trotzdem bleibe ich argwöhnisch, weil ich dem Frieden nicht traue. Tückisch, wie das alte Biest ist, läuft erst mal alles glatt. Mir an den Nerven zu zerren, spart sie sich für später auf. Ich verlasse halbwegs versöhnt das Zimmer, um eine ausreichende Menge Beutel an Spüllösung aus dem Lager zu organisieren. In einem Beutel sind fünf Liter, also fünf Kilo, und ich schaffe vier Beutel. Es ist ein fabelhafter Ausgleich für geschwänztes Training im Fitnessstudio und setzt nochmal einen ganz anderen Trainingsreiz. Überhaupt ist es in diesem Job von Vorteil, wenn man über eine gewisse körperliche Fitness verfügt. Ich glaube, wer im Lebenslauf unter Freizeitbeschäftigung Apnoe-Tauchen und Langstreckenlauf angibt, kommt automatisch in die engere Auswahl.
    Als ich mit meinen zwanzig Kilo Spülflüssigkeit in Richtung Patientenzimmer schlingere, höre ich bereits das erneute Piepen der «Niere» – was hat sie denn jetzt schon wieder? Ich kann es auf den Tod nicht leiden, wenn sich Geräte wie störrische Diven verhalten, die drohen, einen Auftritt platzen zu lassen, weil kein Evian bereitgehalten wurde. Ächzend quetsche ich die vier schweren wabbeligen Wassersäcke auf die Ablagefläche und widme mich dem Gerät, das mir mitteilt, dass der Druck in einem der beiden Katheterzugänge zu hoch ist. Die Eule kommt herein. «Oh, oh», sagt sie nur. Leise zähle ich – 21, 22, 23 – und bin sofort auf hundertachtzig. Wir versuchen den Katheter auszutricksen, drehen hier ein bisschen, stoppen das ganze Gerät, tauschen die Anschlüsse aus und starten die Kiste erneut. Es piept, es nervt, die Niere bleibt stehen. Ich stehe knurrend davor und höre hinter mir das unterdrückte Gekicher der Eule, der das Schauspiel «Rumpelstilzchen und die Apparatemedizin» offensichtlich zu gefallen scheint. Sie kann es ja auch nicht ändern, und immerhin hat sie Mitleid mit mir.
    Es gibt noch einen

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