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Schwester! • Mein Leben mit der Intensivstation

Schwester! • Mein Leben mit der Intensivstation

Titel: Schwester! • Mein Leben mit der Intensivstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Grunwald
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Hoffnungsschimmer. Ich hole den Giftzwerg zu Hilfe, die Gott sei Dank Dienst hat, denn der Giftzwerg verfügt über eine ganz eigenartige Begabung: Leise droht und beschimpft sie sich halsstarrig gebärdende Geräte, fummelt und dreht parallel an allen möglichen Knöpfen und Schaltern herum, alles mit System und mit Plan. Und sie schafft es, fast jede Funktionsstörung zu beheben. Es ist eine Mischung aus Wissen und Trickserei, und das scheint mir die einzige Lösung zu sein: Magie!
    Der Giftzwerg kommt ins Zimmer gewirbelt, bereit für ihre Mission. «Na, was liegt vor?», grinst sie, und ich beschwere mich, dass die «Niere» hier grundlos ihren Dienst am Patienten verweigert. Der Giftzwerg grinst, dann guckt sie sich die Kiste genau an. «So, Prinzesschen», startet sie ihren Auftritt als Geräteflüsterin, «dann gib mal dein Geheimnis preis.» Sie guckt hier, dreht da, drückt auf den Startknopf, die Pumpen drehen sich langsam, und als ich ihr gerade jubelnd um den Hals fallen will, piept es wieder, und alles steht still. Der Giftzwerg guckt pikiert; sie ist es nicht gewohnt, dass die Geräte trotz Ermahnung nicht laufen.
    Wie wir es drehen und wenden, nach mehrmaligen Versuchen, die «Niere» in Gang zu bringen, müssen wir uns geschlagen geben. Ich baue den ganzen Kram ab, um ihn wegzuschmeißen und alles neu zusammenzubasteln. Unbegrenzt Zeit dafür habe ich allerdings nicht, denn ich muss Herrn Koller noch pflegen, den riesigen Verband an seinem Bauch wechseln, und die Bohnenstange erwartet mich in einer halben Stunde zur Assistenz bei einer Bauchlagerung.
    Mir stinkt der Gedanke, den ganzen Nachmittag mit störrischen Hämofiltern herumzuhühnern, erst recht, wenn ich keinen klaren Grund für diese Funktionsstörungen erkennen kann. Ich baue das Gerät wieder ab, spüle den Katheter durch, decke Herrn Koller gut zu und schiebe die Kiste zum Abwracken aus dem Zimmer. Wenn es dafür jedes Mal eine Prämie gäbe, könnte ich endlich mal nach Hawaii fliegen.
    Ich schiebe das Gerät mit Schwung in die Spüle, in der eine große blaue Einwegtonne steht. Auf dem Deckel befindet sich ein Aufkleber mit dem Hinweis, dass in dieser Tonne auch «Körperteile und Organe» entsorgt werden können, und ich gebe meine umfangreichen Zutaten der «Niere» hinzu.
    Dann fange ich von vorne an. Das Ganze ist zeitraubend und monoton, denn es ist immer dasselbe: Erst läuft alles, und dann piept es. Schließlich läuft nichts mehr, und ich muss wieder von vorne anfangen. Während die neu zusammengewurstelte Kiste durchgespült wird, suche ich mir das Material für den Verbandwechsel zusammen. Es lenkt mich von der dunklen Ahnung ab, dass es gleich wieder irgendwelche Mätzchen gibt.
    Dabei kann ich eigentlich noch dankbar sein, denn die «Niere» hat noch ganz andere Sachen auf Lager. Vor einiger Zeit fiel mir ein ungefähr fußballgroßer dunkler Fleck an der Decke eines Patientenzimmers auf. Ich fragte die Bohnenstange, wie der Fleck dorthin gekommen sei.
    «Ja, dem Giftzwerg ist die Niere um die Ohren geflogen!»
    Plötzlich, ohne Vorwarnung, muss die gesamte Filterkartusche mit geronnenem Blut verstopft gewesen sein. Die «Niere» gab natürlich sofort laut Alarm, der Giftzwerg blickte ratlos auf das Display und sah, dass der Druck enorm hoch war. Im nächsten Augenblick hatte sich schon geräuschvoll knackend die Plastikummantelung der Kartusche zerlegt, das Blut spritzte in alle Richtungen, an die Decke, auf den Boden, auf die Geräte, den Patienten – und auf den Giftzwerg. Es muss das absolute Inferno gewesen sein und schier ewig gedauert haben, bis alles wieder aufgewischt war. Noch Tage später entdeckten die Kollegen Spritzer am Fensterrahmen, an irgendwelchen Apparaturen und in den hintersten Zimmerecken. Der Giftzwerg sah aus wie nach einer Saalschlacht und verschwand für eine halbe Stunde in der Dusche.
     
    Zähneknirschend fahre ich den Hämofilter in das Zimmer zurück, schließe alles erneut an – und auf das Anschließen folgt ein problemloser Start. Noch ungläubig, aber gut gelaunt flitze ich zur Bohnenstange ins Zimmer. «Da bin ich, wollen wir loslegen?» Mein Kollege steht vor dem Bett der Patientin und fährt sich gedankenverloren mit der Hand über die raspelkurzen Haare. Die Patientin hat ebenfalls einen Hämofilter, und sie soll gleich auf den Bauch gedreht werden. Das macht man bei einer schlechten Lungenfunktion, um Belüftung und Durchblutung wieder in Einklang zu bringen. «In Einklang

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