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Schwester! • Mein Leben mit der Intensivstation

Schwester! • Mein Leben mit der Intensivstation

Titel: Schwester! • Mein Leben mit der Intensivstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Grunwald
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beim Waschen von Herrn Schubert zu helfen. Sie dreht den Mann auf die rechte Seite, und ich erblicke nun das Ausmaß der zu bewältigenden Reinigungsprozedur. Es ist der wahre Pflege-Klassiker – «Vom Hacken bis zum Nacken». Die Schnecke kann sich ein Grinsen nicht verkneifen.
    Mittlerweile hat sich die Visite vor dem Zimmer eingefunden. Alle bleiben vor der Tür stehen und ich höre nur «… gleich ins CT  … weiterhin nicht adäquat kontaktierbar …», und dann gehen sie weiter. Ich beneide sie darum, nicht zwingend in das Zimmer kommen zu müssen, denn es stinkt bemerkenswert. Allmählich habe ich die Lage auf meiner Seite im Griff, alles ist sauber. Schnell ziehe ich das frische Laken ein und drehe Herrn Schubert zu mir herüber, damit die Schnecke im Schneckentempo den Rest wegwischen kann, was in etwa so abläuft: Wischen. Gucken. Wischen. Nochmal genau gucken. «Die Haut ist da etwas gerötet», teilt sie mir mit. Sie wischt und guckt nochmal. Leise klackt der Uhrzeiger weiter. In zehn Minuten müssen wir im CT sein. «Ich mach da mal dieses Hautschutzspray rauf», kündigt die Schnecke an, findet aber nichts davon auf der Konsole über dem Waschbecken und geht aus dem Zimmer. Ich stehe mit Herrn Schubert da, versuche über seinen Rücken angelnd an das frische Laken zu kommen und ziehe es unter seinem Rücken hervor. Die Schnecke kommt wieder, sprüht Herrn Schubert den Hautschutz auf das Gesäß und zieht das Laken straff. Während der ganzen Aktion hat Herr Schubert immerhin einmal kurz geblinzelt. Ich finde es eigentlich schlimm, dass ich für Herrn Schubert an sich gar keine Zeit hatte, weil die Waschaktion in einem solchen Tempo durchgeführt werden musste.
    Fertig, noch fünf Minuten bis zur Abfahrt! Ich hänge die ganzen Spritzen wieder um auf das Transportgerät. Im Prinzip könnten wir los. Nur – wo ist der Vollbart? Der muss mit, ohne Arztbegleitung geht es nicht, zumal ich das Trumm von Transporteinheit höchstens eine kurze Strecke alleine schieben könnte, krachen würde es dann bei der ersten Kurve. Als ich ihn gerade anrufen will, kommt er schon um die Ecke und verdreht die Augen gen Himmel: «Die haben eben angerufen, das CT ist kaputt, das geht jetzt erst heute Nachmittag!»
    «Super», sage ich und atme aus. Das darf nicht wahr sein: Ich reinige in einem Affenzahn einen Patienten von einer ansehnlichen Menge Stuhlgang, nach höchstens drei Stunden nachvollziehbarem Schlaf und zu einer Uhrzeit, zu der ich normalerweise noch gar nicht ansprechbar bin – und dann war die ganze Eile für die Katz! Einen Vorteil aber hat das Ganze: Ich kann endlich frühstücken! Meine Laune ist auf einmal richtig gut, denn schlagartig liege ich gut im Rennen. Weil Herr Schubert schon so gut wie gewaschen ist, muss ich nur noch die Mundpflege machen und hoffe, dass ich ihn vielleicht dazu bringen kann, Kontakt zur Außenwelt herzustellen.
    Ich will mich gerade auf den Weg in die Stationsküche machen, als mir zwei Kolleginnen von der Normalstation entgegenkommen. «Hi, wir wollen Frau Yildiz abholen!»
    Super, Frau Yildiz wird sich freuen! In Sekundenschnelle befreie ich sie von all ihren Kabeln und der Blutdruckmanschette, rattere die ganze Krankengeschichte nebst OP -Befund herunter, hefte nebenbei alle Zettel ab und bleibe sogar cool, als die Kollegin nicht gerade leise fragt: «Kann die deutsch?» Deutschdeutschdeutsch! «Ja», sage ich, «akzentfrei!»
    Frau Yildiz und ich geben uns die Hand, sie bedankt sich «für den heiteren Morgen» und winkt mir zu, als die Kolleginnen sie über den Flur fahren. Ich winke zurück – dann ist das Zimmer wieder leer. Der Nächste bitte.
    Der restliche Dienst geht zu meinen Gunsten geordnet über die Bühne. Tatsächlich gelingt es mir, Herrn Schubert ein bisschen ins Leben zu locken, er öffnet die Augen, als ich ihn rasiere und sein Gesicht mit dem Aftershave einreibe. Ich stelle das Kopfteil so ein, dass Herr Schubert sich in einer sitzenden Position befindet, lege Kissen unter seine Arme und schiebe das Bett so, dass sein Gesicht zum Fenster gerichtet ist. Hoffentlich hat er die Kraft, seinen Blick dorthin zu wenden.
    Erleichtert, diesen Tag hinter mich gebracht zu haben, radele ich nach Hause, um dort auf dem Sofa einzuschlafen …
    Wahre Frühdienst-Fans wie die Bohnenstange oder der Giftzwerg finden es großartig, noch so viel vom Tag zu haben. Man habe auch viel mehr Zeit für die Kinder, sagen die Eltern, und da haben sie sicher recht. Ich aber

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