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Schwester! • Mein Leben mit der Intensivstation

Schwester! • Mein Leben mit der Intensivstation

Titel: Schwester! • Mein Leben mit der Intensivstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Grunwald
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Inhaltsübersicht]
Frag die Superschwester!
    Ganz gleich, ob auf einer Normalstation, im OP oder auf der Intensivstation: Die Superschwester ist einfach überall. Und es gibt garantiert eine zuverlässige Vertretung, wenn eine Superschwester Urlaub hat, wobei ich mich frage, was die Superschwester eigentlich mit drei Wochen Urlaub will – wie hält sie es aus, drei Wochen ohne die Station, auf der sie jede Ecke kennt und jede bauliche Veränderung mit der richtigen Jahreszahl in Verbindung zu bringen vermag, den Ort, an dem sie sich für unersetzlich hält? Wie soll es drei Wochen ohne ihre stete Dienstbereitschaft gehen, von ihrem Können und Wissen mal ganz abgesehen? Ob die Superschwester ihre Sightseeingtour unterbricht, um sich einmal in Ruhe mit den intensivpflegerischen Begebenheiten am Urlaubsort bekannt zu machen? Schauen wir uns doch einmal etwas genauer an, was die Superschwester alles auf der Pfanne hat, und staunen wir gemeinsam über dieses pflegerische Ausnahmetalent.
    Je größer die Station, desto mehr Superschwestern sind vorhanden. Meistens sind es Frauen, was nicht unbedingt verwunderlich ist, denn die Mehrzahl des Pflegepersonals ist weiblich. Aber selbstverständlich gibt es auch den Superpfleger, und die Unterschiede zwischen beiden Gattungen sind streng definiert: Die Superschwester ist «zickig», und der Superpfleger «die Ruhe selbst». Ein weiterer geschlechtsspezifischer Unterschied ist, dass der Superpfleger aus seiner Sicht jedes technische Gerät auseinanderzubauen vermag, ohne dass auch nur ein Schräubchen übrig bleibt – und selbst wenn, würde das Gerät trotzdem funktionieren. Somit stellt der Superpfleger die Daseinsberechtigung des Medizintechnikers in Frage. Dies hingegen ist der Superschwester egal; zwar kennt auch sie sich mit den Geräten gut aus, hätte aber niemals Lust, sich seinen Job auch noch zu eigen zu machen. Die Reparatur obliegt a priori dem Techniker, weil sie ihre Zeit für die Pflege der Patienten benötigt. Was das pflegerische Wissen und Können anbelangt, kann man der Superschwester und dem Superpfleger im Grunde nicht an den Karren fahren. Was man ihnen jedoch unbedingt vorwerfen muss: Sie glauben, nur sie seien kompetent. Und sie werden nicht müde, uns das wissen zu lassen. Macht sie das sympathisch? Sicher nicht.
    Superschwester und Superpfleger stehen in Konkurrenz zueinander, denn der coole Superpfleger bringt die zickige Superschwester mit seiner Art noch höher auf die Palme, während die Superschwester mit ihrer Zimperlichkeit dem Superpfleger regelmäßig Anlass zur Häme bietet. Aus diesem Grund dürften beide eigentlich nur in derselben Schicht arbeiten, wenn sie am jeweils anderen Ende der Station eingeteilt werden, um den anderen Kollegen nicht mit ihrem von Spott unterlegten Leistungskleinkrieg die Nerven gänzlich zu ruinieren.
    Die Superschwester gibt es in verschiedenen Ausführungen – dem «Putzteufel», bei dem ein Papierkorb bereits als voll gilt, wenn ein zerknülltes Papierhandtuch darin liegt, der Eiferin, die sich immer lauter in Rage redet, wenn sie den Eindruck hat, es hört ihr niemand zu, und der Opportunistin, die zu jeder sich bietenden Gelegenheit «Genau!» ruft, um die Thesen der ersten beiden zu untermauern und ansonsten viel redet, aber eigentlich nichts sagt.
    Eine gute Gelegenheit, die eigene Unfehlbarkeit unter Beweis zu stellen, ist für diese Spezies unseres Berufstandes die Einarbeitung neuer Kollegen.
     
    Die Eiferin ließ sich damals nicht zweimal bitten und übernahm diese Aufgabe, als der Giftzwerg neu auf der Station anfing, um sich bereits nach drei Tagen im Pausenraum über die neue Kollegin zu echauffieren.
    «Ich finde diese Frau un-mög-lich, alles muss man ihr fünf Mal erklären, und dann hat sie es noch nicht kapiert!»
    Ich ahnte bereits, dass sie die Einarbeitung spätestens nach zwei Wochen genervt abgeben würde.
    «Ich schaffe meine Arbeit ja gar nicht!», sagte sie, und sie meinte es auch so, denn der Giftzwerg wurde nicht etwa an die Tätigkeiten herangeführt, die für sie neu waren, sondern sollte ausschließlich die Dinge erledigen, die sie schon vor ihrem Start auf der Intensivstation konnte. Die Herausforderungen, die sie sich von der Arbeit auf einer Intensivstation gewünscht hatte, wurden zu einem steten Affront von Seiten der Eiferin, deren kontrollierende Augen einen «Fehler» nach dem nächsten entdeckten. Der einzige Fehler, den der Giftzwerg machte, bestand lediglich darin,

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