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Schwester! • Mein Leben mit der Intensivstation

Schwester! • Mein Leben mit der Intensivstation

Titel: Schwester! • Mein Leben mit der Intensivstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Grunwald
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anderes hat als ihren Beruf, so ganz ohne Mann und Kinder …
     
    Das Terror-Duo hat mittlerweile Betriebstemperatur und fährt zu Höchstleistungen auf. Jetzt diskutieren sie die Krampfader-Operation einer Kollegin, wobei es weniger um den Sinn und Zweck eines solchen Eingriffs geht, sondern um die Dauer der Krankmeldung. «Da legt man ein paar Tage die Beine hoch, zieht sich die schicken Stützstrümpfe an, und dann kann man doch damit laufen», diagnostiziert die Eiferin.
    «Die ist doch vor der OP auch herumgerannt und macht sich jetzt drei Wochen einen lauen Lenz! Und guck, genau in den drei Wochen hätte sie zehn Nachtdienste gehabt, das bleibt dann auch wieder an uns hängen.»
    Der Star stupst mich an und verdreht die Augen.
    «Meine Tante ist nach einer Woche wieder arbeiten gegangen», führt die Eiferin ein weiteres Argument gegen die unangemessen lange Krankmeldung an, «und die war froh, dass sie sich wieder bewegen konnte!»
    Der Giftzwerg dreht sich mit ihrem quietschenden Bürostuhl um. «Ja, aber die hatte wahrscheinlich keine Nachblutung, oder?»
    «Nee, wieso?», fragt die Eiferin verdutzt.
    «Weil die Kollegin eine hatte und seit Montag Antibiotika nimmt. Die Wunde hat sich infiziert.»
    «Woher weißt du das denn?», fragt der Putzteufel ungehalten.
    «Weil ich bei ihr um die Ecke wohne und sie mich gebeten hat, ihr die Tabletten aus der Apotheke zu holen», sagt der Giftzwerg genervt, «laufen kann sie momentan so gut wie gar nicht, und wenn es richtig Scheiße läuft, dann muss sie nächsten Montag nochmal zur OP .»
    «Ach so», sagt das Terror-Duo kleinlaut wie aus einem Munde, und man hört förmlich, wie ihnen aus ihrer aufgepumpten Positur die Luft ausgeht. Eine Katze würde sich jetzt womöglich kratzen oder beiläufig die Pfoten putzen – das Terror-Duo wählt als Übersprunghandlung das Zurechtrücken der sorgfältig gestylten und mit Strähnchen durchwirkten Frisuren.
    Leise knurrt der Giftzwerg: «Wenn man keine Ahnung hat: Einfach mal die Klappe halten» und zählt die Maschen für das Ärmelbündchen ab.
    Dann wechselt das Terror-Duo hastig das Thema.
    «Wer von den Ärzten hat ab morgen mit uns Nachtdienst?»
    Heute ist der Vollbart da, und gegen den haben sie augenscheinlich nichts einzuwenden.
     
    Als ich am nächsten Abend das Zimmer von Herrn Karamoglu betrete, schreibt die Opportunistin noch den Pflegebericht und sieht reichlich erschöpft aus. Vor etwa einer Stunde hat sie den Mann auf den Bauch gedreht und freut sich auf den Feierabend. Und sie ist noch ziemlich aufgebracht, weil Herr Karamoglu den ganzen Nachmittag Besuch hatte.
    «Mindestens zehn Leute waren hier, und die wollten immer nur den Arzt sprechen, die Hälfte von denen konnte kein Deutsch», echauffiert sie sich.
    Es kann in der Tat anstrengend sein, wenn die Angehörigen eines ausländischen Patienten zahlreich um Einlass bitten. Dann muss man sich notfalls mit Händen und Füßen verständlich machen – und das ist die Krux in diesem an und für sich ja recht kommunikativen Beruf: Klappt die Verständigung nicht auf Deutsch, wird es für viele sofort zappenduster. Auch Englisch trauen sich die meisten nicht zu, wobei «Medical English» tatsächlich auch eine größere Herausforderung ist als das alltäglich locker simultan zu übersetzende «I love you for ever». Manchmal habe ich allerdings den Verdacht, dass viele glauben: «Wer hierzulande lebt und im Krankenhaus liegt, muss Deutsch sprechen!»
    Ich frage mich, ob diese Kollegen Türkisch oder Kroatisch sprechen, wenn sie dort in den Ferien mit ihren Flip-Flops ins Straucheln geraten und zum Röntgen in die Klinik müssen …
    Und was ist schon dabei, schweigend neben dem Bett des Patienten zu sitzen; auch deutsche Angehörige sitzen oft wortlos neben ihrem Angehörigen, weil ihnen deren Zustand schlichtweg die Sprache verschlägt und sie nicht wissen, was sie dazu sagen sollen.
    «Und dann die Frauen! Die trugen alle Kopftücher», regt sich die Opportunistin weiterhin auf. Ich frage mich allmählich, was das Problem ist, denn es ist mir doch hier vor Ort, auf der Intensivstation, völlig gleich, ob die Frauen ein Kopftuch tragen oder nicht. Ich möchte diesen Frauen so gut es geht ihre Fragen beantworten und nicht einen Diskurs über meine Ansichten zu säkularen Systemen beginnen.
    Die Opportunistin wird allmählich grantig; sie ist müde, und dass ihre Vorbehalte gegenüber der Familie des Herrn Karamoglu an mir abprallen, passt ihr

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