Schwesterlein, komm stirb mit mir
kannte. Ruben, der Student, der als Hilfskraft in meinem Büro in der Fakultät arbeitete.»
«Wie furchtbar.» Deborah trank einen großen Schluck Wein. «Weißt du, wie es passiert ist?»
«Nicht genau. Er war mit dem Fahrrad unterwegs und wurde angefahren.» Wieder blickte Liz auf den Teller, dann schob sie ihn hastig von sich weg.
«Schade um den schönen Fisch», sagte Deborah.
«Du kannst ihn gern haben.»
«Bin pappsatt. Leider.» Deborah nahm ihre Hand. «Ich verstehe, dass du geschockt bist. Das wäre ich an deiner Stelle auch. Aber es bestätigt nur, was ich gesagt habe: Das Leben kann jederzeit vorbei sein, deshalb sollten wir jede Sekunde auskosten.»
«Du hast gut reden.»
«Ja.» Deborah drückte ihre Hand. «Und ich lasse meinen Reden Taten folgen. Reden allein genügt nämlich nicht.»
Liz kämpfte mit sich. Dann sagte sie: «Ruben – er hat etwas für mich recherchiert.»
«Und?»
Liz zog ihre Hand weg und lehnte sich zurück. «Er sollte herausfinden, wo jemand, der vermutlich vor einigen Monaten aus dem Gefängnis entlassen wurde, jetzt wohnt.»
«Einer deiner Killer.»
«So in der Art.»
«Ich glaube, ich verstehe trotzdem nicht, was du meinst.»
«Ruben hat mir am Samstag eine sehr rätselhafte E-Mail geschickt. Er sei auf etwas Interessantes gestoßen und wolle weiter nachforschen.»
Deborah riss die Augen auf. «Du glaubst, sein Tod war kein Unfall?»
Liz zuckte mit den Schultern.
«Was sagt denn die Polizei dazu?», fragte Deborah.
«Keine Ahnung.»
«Ich glaube, du siehst Gespenster, Liz. Mach dich nicht verrückt. Du fühlst dich schuldig, weil dieser Ruben tot ist und du noch lebst. Aber das liegt nicht in deiner Verantwortung.»
«Du kennst noch nicht die ganze Geschichte.» Liz fuhr mit dem Finger über den Rand ihres Weinglases. «Ich bekomme seit einiger Zeit anonyme Briefe. Eigentlich nichts Besonderes, du weißt ja, dass ich ständig Nachrichten von irgendwelchen Spaßvögeln kriege. Aber diese sind anders. Und heute Morgen habe ich eine bekommen, die richtig unheimlich war. Der Schreiber fordert mich auf, mir von niemandem helfen zu lassen bei der Suche nach ihm. Fast so, als hätte er davon gewusst, dass Ruben für mich recherchiert hat, und als hätte er ihn umgebracht.»
«Du musst mit der Polizei reden, Liz.»
«Ich habe nichts in der Hand. Nur diese Briefe, und die sind sehr vage. Ich meine, da steht nicht drin: Ich habe Ruben Keller umgebracht, weil er für dich herumgeschnüffelt hat. Es ist alles nur angedeutet.»
«Trotzdem.» Deborah trank ihren Wein leer und schenkte nach. «Das ist kein Spaß. Vielleicht ist da wirklich einer auf dich fixiert. Du weißt doch, wie diese Kerle sind. Einer von denen hat im Knast dein Buch gelesen und spielt jetzt Katz und Maus mit dir. Verdammt, Liz, geh zur Polizei. Geh zu deinem Superkommissar, der hält doch große Stücke auf dich. Er nimmt dich bestimmt ernst.»
«Ich bin mir nicht sicher, ob der noch was auf mich hält, ich konnte ihm mit seinem Fall nicht besonders weiterhelfen.»
«Egal. Rede mit ihm.»
Liz seufzte. «Okay, morgen.»
Deborah verschränkte zufrieden die Arme. «Und bei der Gelegenheit könnt ihr gleich die andere Sache aus der Welt schaffen.» Sie zwinkerte ihr zu. «Warum nicht das Nützliche mit dem Schönen verbinden?»
Liz konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. «Du bist unverbesserlich, Deb.»
Deborah fischte ihre Zigarettenpackung aus der Handtasche. «Wo wir gerade von Lastern reden: Leistest du mir hierbei Gesellschaft?»
Mittwoch, 23. Oktober, 10:50 Uhr
Regen prasselte gegen die Scheiben, es schien gar nicht hell zu werden. Am kommenden Wochenende würden die Uhren auf Winterzeit gestellt – ein untrügliches Zeichen dafür, dass der Herbst gekommen war. Und mit ihm die Dunkelheit.
Stadler wollte gerade aufstehen, um sich einen Kaffee zu holen, als es klopfte und ein Kollege eintrat, den er nicht kannte.
« KHK Stadler?», fragte er.
«Immer zu Diensten.»
Der Mann war noch jung, höchstens dreißig, hellblondes kurzgeschorenes Haar und ein entschlossenes Gesicht. « KK Schenk», stellte er sich vor und streckte die Hand zu einem kurzen, festen Händedruck aus. «Von der Vermisstenabteilung. Ich habe vielleicht was für Sie.»
«Dann lassen Sie mal hören.» Stadler deutete auf einen Stuhl und lehnte sich zurück, froh über die Abwechslung, jedoch ohne Hoffnung auf bedeutsame Informationen.
«Heute Morgen ist eine Vermisstensache reingekommen. Eigentlich
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