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Schwesterlein, komm tanz mit mir

Schwesterlein, komm tanz mit mir

Titel: Schwesterlein, komm tanz mit mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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sehen.» Im Dämmerlicht erinnerte ihn ihr feingeschnittenes Gesicht an die zarten Züge von Nan.
    Ihr silbern schimmerndes Haar war zu einem französischen Knoten zurückgesteckt. Sie trug ein langes, schmales Samtkleid in Schwarz und darüber eine Zobeljacke.
    Greta wurde demnächst sechzig. Eine schöne, elegante Frau, deren Lächeln nie ganz die Traurigkeit aus ihren Augen vertrieb.
    Plötzlich fiel Chris auf, daß seine Mutter immer auf etwas zu warten oder zu lauschen schien, eine Art Signal.
    Als er noch ein Kind war, hatte ihm sein Großvater eine Geschichte aus dem Ersten Weltkrieg erzählt. Ein Soldat hatte eine Nachricht verloren, die vor einem bevorstehenden feindlichen Angriff warnte. Später gab er sich für alle Zeit die Schuld an den schrecklichen Verlusten und hörte sein Leben lang nicht auf, in Straßenrinnen und unter Steinen nach der verlorenen Nachricht zu suchen.
    Bei einem Schlaftrunk erzählte er Greta von Erin Kelley, und ihm wurde klar, warum ihm der Ausdruck seiner Mutter aufgefallen war. Greta meinte immer, Nan habe ihr vor ihrem Tod etwas erzählt, das sie instinktiv alarmierte. Vorige Woche hatte sie wieder eine Warnung erhalten und hatte wieder nichts tun können, um eine Tragödie zu verhindern.
    «Das Mädchen, das sie fanden, hatte einen hochhackigen Abendschuh an?» fragte Greta. «Wie Nan? So eine Art Tanzschuh? In dem Brief stand, ein Tanzmädchen werde sterben.»
    Chris wählte seine Worte sorgfältig. «Erin Kelley war Schmuckdesignerin. Soweit ich hörte, nimmt man an, daß da ein Nachahmungstäter am Werk ist. Jemand, der durch die Sendereihe
Authentische Verbrechen
auf die Idee gekommen ist. Ein FBI-Agent möchte mit uns darüber sprechen.»
    Polizeichef Moore rief am Samstag an. Ein Agent des FBI, Vincent D’Ambrosio, würde die Sheridans gern am Sonntag aufsuchen.
    Chris war froh, als D’Ambrosio ausdrücklich betonte, niemand hätte nach dem Brief, den Greta erhalten hatte, etwas unternehmen können. «Mrs. Sheridan», sagte er zu ihr, «wir bekommen oft viel präzisere Hinweise als diesen und können doch nicht verhindern, daß eine Tragödie passiert.»
    Vince bat Chris, mit ihm hinauszugehen. «Die Polizei von Darien hat die Akten über den Tod Ihrer Schwester», erklärte er. «Sie machen Kopien für mich. Würde es Ihnen etwas ausmachen, mich an die genaue Stelle zu führen, wo sie gefunden wurde?»
    Sie gingen die Straße entlang, die vom Grundstück der Sheridans zu dem Waldstück mit dem Jogging-Weg führte. Die Bäume waren in den fünfzehn Jahren gewachsen, die Äste dicker geworden, doch sonst sei die Stelle ziemlich unverändert, erklärte Chris.
    Eine malerische Szenerie in einer reichen Stadt; als Kontrast dazu ein verlassener Pier an der West Side. Nan Sheridan war ein neunzehnjähriges Mädchen gewesen. Studentin. Joggerin. Erin Kelley war eine achtundzwanzigjährige Karrierefrau. Nan stammte aus einer wohlhabenden Familie der Gesellschaft. Erin stand auf eigenen Füßen. Die beiden einzigen Ähnlichkeiten waren die Todesart und die Schuhe.
    Beide waren erwürgt worden. Beide hatten einen Abendschuh getragen. Vince fragte Chris, ob Nan während ihrer Schulzeit irgendwelche Verabredungen mit Unbekannten getroffen habe, die sie durch Kontaktanzeigen fand.
    Chris lächelte. «Glauben Sie mir, Nan hatte so viele Verehrer, die ihr nachliefen, daß sie nicht auf Anzeigen zu antworten brauchte. Außerdem gab es diese Art Anzeigen noch gar nicht, als wir im College waren.»
    «Sie waren in Brown?»
    «Nan war da. Ich war in Williams.»
    «Ich nehme an, daß die engeren Freunde Ihrer Schwester befragt wurden?»
    Sie gingen den Weg entlang, der sich durch den Wald schlängelte. Chris blieb stehen. «Hier habe ich sie gefunden.»
    Er schob die Hände in die Taschen seines Anoraks.
    «Nan meinte, jede, die sich an einen festen Freund binde, sei verrückt. Sie flirtete gern. Sie amüsierte sich gern. Sie versäumte nie freiwillig eine Party, und sie ließ keinen Tanz aus.»
    Vince drehte sich zu ihm um. «Das ist wichtig. Sind Sie sicher, daß der Tanzschuh, den Ihre Schwester trug, als sie gefunden wurde, nicht ihr gehörte?»
    «Vollkommen. Nan haßte hohe Absätze. Sie hätte solche Schuhe einfach nicht gekauft. Und natürlich fand man in ihrem Kleiderschrank auch nicht den zweiten Schuh.»
    Als er nach New York zurückfuhr, dachte Vince weiter über die Ähnlichkeiten und die Unterschiede zwischen Nan Sheridan und Erin Kelley nach. Es muß ein Nachahmungstäter

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