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Schwesterlein muss sterben

Schwesterlein muss sterben

Titel: Schwesterlein muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Wolff
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Eine schwedische Band aus den neunziger Jahren, die er auch früher schon gehört hatte, Isildurs Bane, wenn sich Merette richtig erinnerte, und die Platte hieß »A Trip to Elsewhere«. Vielleicht war es auch umgekehrt, und die Band hieß so.
    »Können wir bitte etwas anderes hören?«, fragte Merette. Ohne eine Antwort abzuwarten, drückte sie die Ejecttaste und schob dann eine CD von Rebecca Bakken in den Schlitz. Gleich der erste Song war eines der Lieblingslieder von Julia, »Cover me with Snow«. Merette hatte kaum die Refrainzeile gehört, als sich ihr die Assoziation zu einem Leichentuch aufdrängte. Hastig schaltete sie den Player wieder aus. Jan-Ole gab keinen Kommentar, er schien mit seinen Gedanken weit weg zu sein.
    Kurz darauf meldete sich sein Handy wieder. Jan-Ole schaltete den Lautsprecher ein. Verzerrt und von Rauschen und Knacken unterbrochen erklärte eine Polizistin aus der Allehelgensgate, dass gerade ein Anruf eingegangen war, von einem jungen Mann, der eine Entführung gemeldet hatte.
    »So wie es aussieht, geht es um deine Tochter, Jan-Ole! Und die Personenbeschreibung des mutmaßlichen Entführers deckt sich mit der Fahndung, die wir hier laufen haben, von diesem …«
    »Aksel!«, stieß Jan-Ole nur hervor. »Danke, ich weiß Bescheid.«
    An der Abzweigung nach Telavåg waren zwei Arbeiter in orangefarbenen Warnwesten damit beschäftigt, ein neues Straßenschild aufzustellen. Als Jan-Ole schlingernd in die Nebenstraße einbog und dabei einen der rotweißenWarnpylonen streifte, sprangen sie erschrocken in den Graben. Im Rückspiegel sah Merette, wie sie dem Camper wütend irgendetwas hinterherriefen.
    Über dem Meer türmten sich grauschwarze Wolken auf, die Sonne an ihrem äußeren Rand wirkte so fahl wie eine Neonleuchte.
    Telavåg war wieder wie ausgestorben, an der Kirche war sich Merette plötzlich nicht mehr sicher, welcher Weg zur Halbinsel hinausführte.
    »Warte mal«, bat sie Jan-Ole. »Ich glaube, ich bin vorher schon abgebogen! Die Straße macht hinter dem Felsen einen Bogen zurück zum Dorf, es kann sein, dass ich auf dem Rückweg da vorne rausgekommen bin, glaube ich jedenfalls …«
    »Fragen wir den Popen, er muss sich ja hier auskennen.« Jan-Ole zeigte zur Kirche hinüber.
    Der Pastor stand in der offenen Tür zur Sakristei, Merette erkannte ihn sofort wieder. Als er jetzt die Arme weit über den Kopf hob und langsam auf sie zukam, brummte Jan-Ole irritiert: »Was für ein Problem hat der denn jetzt wieder?«
    Er öffnete die Tür und stieg aus. Merette beugte sich über den Fahrersitz und winkte dem Pastor zu.
    »Hej! Wir kennen uns von neulich, erinnerst du dich? Ich war an dem Tag hier, an dem ihr das kleine Mädchen beerdigt habt. Und wir brauchen deine Hilfe …«
    Sie brach ab, als der Pastor ganz offensichtlich nicht reagierte, sondern bis dicht an den Wagen trat und direkt vor Jan-Ole stehen blieb. Die Hände hatte er immer noch über dem Kopf, das Blaulicht warf zuckende Blitze über sein bleiches Gesicht.
    »Was soll das hier werden?«, setzte Jan-Ole ratlos an.
    »Ich habe es gleich gewusst«, antwortete der Pastor mit nahezu ausdrucksloser Stimme. »Schon als sie versucht hat, mich auszufragen.« Er blickte zu Merette hinüber. »Ich wusste, dass sie von der Polizei ist. Ich dachte nur, ihr würdet schon eher kommen, um mich zu holen.« Er nahm jetzt die Hände herunter und hielt sie Jan-Ole ausgestreckt hin. »Ich werde euch keine Schwierigkeiten machen. Ich lege ein volles Geständnis ab.«
    »Was?«, stieß Jan-Ole wieder irritiert hervor.
    Im nächsten Moment wusste Merette, wovon der Pastor sprach. Als sie sich auf den Fahrersitz hinüberschob, fühlte sie sich müde und kraftlos, aber zu ihrer eigenen Verblüffung seltsam unberührt, als würde ein Film vor ihren Augen vorbeiflimmern, der absolut nichts mit ihr zu tun hatte.
    »Er hat ein kleines Mädchen auf dem Gewissen«, sagte sie zu Jan-Ole. »Es stand in der Zeitung, angeblich ist das Kind beim Spielen am Ufer ertrunken, und ich dachte erst, dass … Du weißt schon, deshalb war ich hier.«
    »Ich lege ein volles Geständnis ab«, wiederholte der Pastor. »Ich war es. Ich nehme alle Schuld auf mich. Der Herr wird mich leiten, egal, was nun passieren mag.«
    Er fing unvermittelt an zu beten, die Hände hielt er weiter ausgestreckt.
    »Hör auf!«, herrschte Jan-Ole ihn an. Er schlug sich mit der flachen Hand vor den Kopf und blickte hilflos zu Merette. »Das ist doch alles vollkommen

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