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Schwesterlein muss sterben

Schwesterlein muss sterben

Titel: Schwesterlein muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Wolff
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da die Rezeption, natürlich ohne gültige Arbeitserlaubnis, deshalb ist er auch nirgends gemeldet. Aber er ist es nicht, er hat nichts mit Aksel zu tun. Es gibt genug Zeugen, die bestätigen können, dass er mehr oder weniger rund um die Uhr arbeitet und Ytre-Yndra seit Wochen nicht verlassen hat. Wir sind keinen Schritt weiter, außer dass wir jetzt wissen, dass es eine falsche Fährte war. So was passiert. Sehen wir uns Aksels Wohnung an.«
    Als sie in den Hof kamen, stutzte Merette. Irgendetwas war anders. Sie brauchte einen Moment, bis ihr klar wurde, dass sie unbewusst damit gerechnet hatte, wieder von wummernden Elektrobeat-Klängen empfangen zu werden. Stattdessen dröhnte diesmal eine Rockmelodie aus dem geöffneten Fenster im Obergeschoss. Merette kannte die Melodie, konnte aber den Text nicht zuordnen.
    Jan-Ole blieb irritiert stehen, als sie mit zusammengezogenen Augenbrauen auf die Musik hörte.
    »Du kennst das Lied«, meinte er. »Ein alter Kinks-Titel, aber auf Norwegisch, deshalb klingt es so ungewohnt. Der Gitarrist von Dance with a Stranger hat das vor einpaar Jahren eingespielt. ›Dead End Street‹ heißt der Song im Original.« Als wäre es von irgendeiner Bedeutung zu wissen, welches Lied da gerade lief.
    Merette zog ihn am Arm zu sich und drückte kurz ihren Kopf an seine Schulter.
    »Tut mir leid«, sagte sie leise. »Ich bin gerade keine große Hilfe, ich weiß. Aber …«
    »Du musst dich nicht entschuldigen. Mir ist vollkommen klar, wie es dir gehen muss, glaub mir. Also los, sehen wir uns die Wohnung an.«
    Die Tür zu Aksels Wohnung war versiegelt. Ohne zu zögern, durchtrennte Jan-Ole mit einem Taschenmesser das Polizeiklebeband, in Höhe des Türschlosses war das Holz gesplittert, hier hatten die Beamten sich gewaltsam Zutritt verschafft. Jan-Ole zog eine Kreditkarte aus seinem Portemonnaie und schob sie in den Spalt, bis das Schloss mit einem Klicken nachgab und die Tür aufschwang.
    Sofort hüllte sie der muffige Geruch ein, der wie eine Wand in der Wohnung zu stehen schien. Jan-Oles Kollegen hatten ganze Arbeit geleistet, es gab kaum eine Stelle, an der sie nicht ihre Spuren hinterlassen hatten. Wenn Merette es nicht besser gewusst hätte, wäre sie überzeugt gewesen, dass irgendjemand eingebrochen war, um die Wohnung mit Absicht zu verwüsten. Aber wahrscheinlich machte es auch keinen Unterschied, mit welcher Intention hier jemand gewesen war, dachte sie, das Ergebnis lief auf das Gleiche raus. Sogar die Müllsäcke waren aufgeschlitzt, und der Inhalt lag verstreut auf den Fliesen.
    Merettes Blick fiel auf das Flip-Chart, das sie beim letzten Mal durch das Fenster gesehen hatte, jetzt war die Oberfläche sauber abgewischt, von dem verstörenden Diagrammmit den verschiedenen Pfeilen und dem Wort »Schwesterlein« war nichts mehr zu erkennen.
    »Was hast du?«, fragte Jan-Ole, als sie ratlos auf die weiße Plastikfläche starrte.
    »Es fällt mir jetzt erst wieder ein, hier war eine Zeichnung.«
    Sie versuchte, Jan-Ole möglichst genau zu beschreiben, woran sie sich erinnerte. Er pfiff leise durch die Zähne.
    »Das klingt nach einer Art Plan, nach dem er vorgehen wollte, so was wie ein Handlungsgerüst, um nicht den Überblick zu verlieren. Wir haben auch schon Täter gehabt, die die Tapete dafür benutzt haben. Aber damit ist zumindest sicher, dass er noch mal hier gewesen ist und alle Spuren beseitigt hat, die irgendeinen Hinweis geben könnten. Das gefällt mir gar nicht, er scheint uns immer einen Schritt voraus zu sein. Ich rufe die Spurensicherung an, sie müssten in der Lage sein, da irgendwas von diesem Diagramm, an das du dich erinnerst, sichtbar zu machen.«
    Während er noch das Handy am Ohr hatte und mit den Kollegen sprach, ging er in den Wohnraum hinüber und begann, systematisch das Chaos aus Büchern und Zeitschriften auf dem Boden zu durchforsten.
    Merette folgte ihm.
    Als Jan-Ole ein zerfleddertes Märchenbuch unter ein paar Comicheften hervorzog, zuckte sie zusammen. Eine vage Idee schoss ihr durch den Kopf.
    »Warte mal, Jan-Ole! Gib mir das Buch mal bitte!«
    Sie schlug das Inhaltsverzeichnis auf.
    »Der gestiefelte Kater, Der Teufel mit den drei goldenen Haaren«, las sie halblaut mit, während sie mit dem Finger über die Seiten fuhr, »Hans im Glück, Frau Holle, Hänselund Gretel, Dornröschen, hier, Brüderlein und Schwesterlein, Seite 193!«
    Die Seite blätterte sich fast von alleine auf, in dem Falz klemmte ein leicht unscharfes Schwarzweißfoto. Ein

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