Schwesterlein muss sterben
gegeben.«
»Nie!«
»Aber ich bitte Sie …«
Es war Zeit, auf das nächste Level zu springen. Er setzte das breiteste Grinsen auf, das er in seinem Repertoire hatte.
»Okay, vergessen Sie’s. Ich wollte nur mal sehen, wie Sie reagieren, klar weiß ich, dass Sie alles auf Band haben. Aber Sie haben doch nicht im Ernst geglaubt, dass davon irgendwas stimmt? – Nein, das kann nicht sein«, setzte er gleich darauf nach, »ich denke, Sie sind ein Profi? Und da nehmen Sie mir so einen Scheiß ab?«
Es dauerte einen Moment, bis sie antwortete. Sie hatte eindeutig Mühe, ihre Fassung zu bewahren. »Sie sagen also, dass Sie Ihre Geschichte nur erfunden haben. Gut. Nehmen wir das mal als gegeben, aber dann würde mich interessieren …«
»Wieso?« Er schüttelte den Kopf, als könnte er es nicht fassen. »Wieso, will sie wissen! Na, ist doch logisch, damit wir was zum Reden haben! Nehmen Sie es einfach als den Versuch, erst mal ein bisschen Nähe zwischen uns herzustellen. Schließlich kennen wir uns ja noch gar nicht richtig. Und ich muss doch auch wissen, mit wem ich es zu tun habe. Aber ich bin ehrlich enttäuscht von Ihnen. Ich glaube, das wird nichts mit uns. Wissen Sie was? Mir reicht es. Das ist mir alles zu unprofessionell mit Ihnen …«
Er blickte auf seine Uhr und machte Anstalten aufzustehen.
Sie reagierte mit einer spontanen Bewegung, als wollte sie ihm die Hand auf den Arm legen, um ihn zum Sitzenbleiben aufzufordern.
Er sprang zurück.
»Nee, Anfassen ist nicht! Ich gehe. Sitzung beendet.«
Er griff nach seiner Jacke und drehte sich zur Tür. Sie stand ebenfalls auf. Jetzt war sie eindeutig wütend.
»Entschuldigung, aber nicht Sie beenden hier irgendwas, sondern ich bin es, die Ihnen sagt, wann wir fertig sind.«
»Falsch gedacht, vergiss es!«, brüllte er ihr ins Gesicht, sodass sie erschrocken zurückwich. »Ich hab genug von dem Geschwätz hier. Und dann wollten Sie mich auch noch angrabschen! Ich bin gespannt, was die Leute von der Sozialpsychiatrie dazu sagen, wenn ich das erzähle.«
Und ab, nichts wie raus. Er hörte noch, wie sie die Tür hinter ihm wieder aufriss und mit sich überschlagender Stimme rief: »Was glauben Sie eigentlich, was das hier ist? Das können Sie mit mir nicht machen! Ich bin nicht bereit, mir das bieten zu lassen …«
Dann war er die Treppe runter und auf der Straße. Vor dem Nachbarhaus schnitt ein älteres Ehepaar die verwelkten Blüten von den Rosen. Irritiert blickten sie hinter ihm her, als er eine leere Coladose über den Fußweg kickte, so dass sie scheppernd im Rinnstein liegenblieb.
»Fickt euch!«, schleuderte er den beiden Alten entgegen.
Dann kam der Lachanfall. Für einen Moment musste er sich an einem Zaunpfosten festhalten, bis er wieder bei Atem war. Er hatte die Psycho-Schlampe voll erwischt! Damit hatte sie nicht gerechnet. Klarer Sieg nach Punkten, dachte er.
Er hätte nur zu gern gewusst, was sie jetzt gerade machte. Für einen Moment stellte er sich vor, er hätte Sex mit ihr gehabt. Und wäre dann mittendrin aufgestanden und gegangen, kurz bevor sie gekommen war. So ähnlich musste sie sich jetzt fühlen. Er merkte, wie sein Schwanz steif wurde.
Unvermittelt schoss ihm die Erinnerung daran durch den Kopf, wie er gestern bei seinem Kumpel gewesen war – und der Kumpel war halbnackt gewesen und hatte einen Kerl zu Besuch gehabt! Er fand die Vorstellung, was die beiden wohl miteinander getrieben hatten, einfach nur widerlich. Und mit seinem Kumpel wollte er nach dieser Geschichte in Zukunft so wenig wie möglich zu tun haben. Nur diese eine Sachenoch, für die er seine Hilfe brauchte, und dann war es das. Er war echt von ihm enttäuscht. Er hatte immer gedacht, dass der Kumpel ganz normal war. Zumindest was Frauen anging. Aber offensichtlich hatte er sich geirrt.
Er war jetzt am Theater und nahm den kürzesten Weg zurück zur Nygårdsgate. Durch die dreiste Terminverlegung und das Gespräch mit der Psycho-Schlampe war sein Zeitplan durcheinandergeraten. Aber so, wie das Ganze gelaufen war, konnte er trotzdem mehr als zufrieden sein.
Zehn Minuten später stand er in seiner Küche und schlürfte den Rest Kaffee, den er sich am Morgen gekocht hatte.
Irritiert beobachtete er den Penner mit der Stirnglatze, der draußen vor dem Fenster durch den Hof latschte. Wie üblich im Anzug und mit einer Laptop-Tasche über der Schulter. Mittags um kurz vor eins! Er wartete, bis der Typ im Durchgang zur Straße verschwunden war. Kurz darauf hörte
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