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Schwesterlein muss sterben

Schwesterlein muss sterben

Titel: Schwesterlein muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Wolff
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er wieder den Elektrobeat durch das geschlossene Fenster wummern. Er hatte der Glatze also neulich unrecht getan, und die Musik kam aus einer anderen Wohnung. Aber das änderte nichts daran, dass mit dem Penner irgendwas nicht stimmte.
    Er kippte den Rest Kaffee über das schmutzige Geschirr, das sich in der Spüle stapelte. Eine fette schwarze Fliege brummte torkelnd hoch und setzte sich auf die verschmierten Küchenfliesen. Ohne lange zu überlegen, schlug er zu. Die Fliege war zu langsam, er spürte, wie der Körper unter seiner Hand zerquetscht wurde. Aus dem aufgeplatzten Hinterteil quoll eine gelbweiße Flüssigkeit.
    Angewidert drehte er den Wasserhahn auf, bis seine Handfläche wieder sauber war und er sie an der Jogginghose trocken wischte. Als er aus der Küche in den engen Flur kam,dachte er, dass er auch die Müllsäcke irgendwann entsorgen müsste, bevor der Stapel noch höher wurde. Aber nicht heute. Heute hatte er keine Zeit für Nebensächlichkeiten.
    Er sah auf die Uhr. Gestern war sie erst gegen drei nach Hause gekommen. Er wollte jedoch nichts riskieren, es konnte bestimmt nicht schaden, wenn er schon eher da war. Lieber wartete er, als dass er seinen Plan gefährdete. Er warf einen Blick in den Spiegel. Der Jogginganzug war okay, alle trugen solche Dinger mit irgendwelchen Aufdrucken von amerikanischen Universitäten, die es wahrscheinlich gar nicht gab. Das passte jedenfalls zu dem netten jungen Mann aus dem Erdgeschoss, der immer freundlich grüßte, wenn man ihn im Treppenhaus traf. Und die Kapuze würde ihm noch gute Dienste leisten!
    Er zog die alten Turnschuhe an, deren Sohlen auf den Holzstufen kein Geräusch machen würden. Dann griff er nach der Plastiktüte, die er schon bereitgestellt hatte.
    »GHB« hieß das Zeug, das ihm ein Krankenpfleger aus der Uni-Klinik, der ihm noch einen Gefallen schuldete, am Abend zuvor besorgt hatte. Gammahydroxybuttersäure, in der Clubszene auch »Liquid Ecstasy« genannt, im Krankenhaus in der Anästhesie früher als Narkosemittel eingesetzt, jetzt hauptsächlich als Hilfsmedikament beim Alkoholentzug. Sollte angeblich Symptome wie Ängstlichkeit verringern, hatte der Typ ihm erklärt, wirkte muskelentspannend und führte beim Einatmen zu sofortiger Bewusstlosigkeit. Das Beste daran aber war, dass der Betäubte nach etwa drei Stunden abrupt wieder aufwachte, ohne sich an irgendetwas erinnern zu können. Oder die Betäubte, dachte er. Auf jeden Fall war es genau das Richtige für sein Vorhaben.
    Er überprüfte noch mal, ob die Fenster geschlossen waren,und nahm den Autoschlüssel vom Haken. Auch den Lieferwagen hatte er sich schon gestern von seinem Kumpel geliehen. Er hatte ihn angerufen, nachdem er die ganze Aktion fertig geplant hatte. Dass er den Kumpel dann mit diesem Kerl erwischt hatte, wäre allerdings nicht nötig gewesen. Wenn er irgendwas in der Richtung geahnt hätte, hätte er sich vielleicht irgendein anderes Auto besorgt. Wobei der Lieferwagen eindeutig die bessere Lösung war.
    Aber wenn alles lief wie geplant, würde er den Ford Transit heute Abend noch zurückbringen, danach brauchte er ihn nicht mehr. Genauso wenig wie den Kumpel mit seinen perversen Sexspielchen.
    Als er auf die Straße trat, schien die Hitze wie eine Wand zwischen den Häusern zu stehen. Der Himmel war wolkenlos und von einem milchigen Blau. Vielleicht gab es heute noch ein Gewitter, dachte er. Das würde passen.
    Er hoffte nur, dass er einen Parkplatz möglichst dicht am Haus finden würde. Aber um diese Uhrzeit war nicht viel Betrieb auf der Magnus Barfots Gate, das hatte er gestern bereits zufrieden registriert.

JULIA. Drei Stunden vorher
    Als sie die Treppe hochgehetzt kam, freute sie sich darauf, gleich mit Marie auf dem Dach zu sitzen und den Rest des Nachmittags einfach nur mir ihr zu reden. Sie hatten sich so viel zu erzählen, und solange sie nur die blöde Geschichte mit Carlos dabei aussparen würden, sollte es ihnen wohl gelingen, ihre Freundschaft wieder zum Leben zu erwecken.
    Und für den Fall, dass sie irgendwann dann doch noch auf Carlos und den letzten Sommer zu sprechen kämen, konnten sie vielleicht inzwischen beide darüber lachen, wie bescheuert sie sich eigentlich benommen hatten. Julia wollte sich da in keiner Weise ausnehmen von irgendeiner Schuld! Obwohl sie immer noch fand, dass Marie zumindest für den Anfang vom Ende verantwortlich war. Immerhin war sie es gewesen, die ihre gemeinsamen Ferien hatte platzen lassen! Und Julia wagte nach

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