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Schwesterlein muss sterben

Schwesterlein muss sterben

Titel: Schwesterlein muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Wolff
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der Gärtner nach ihrem Arm.
    »He, redest du grundsätzlich nicht, oder was?«
    Sie wischte seine Hand von ihrem Arm und sagte absichtlich laut: »Kapierst du es nicht? Lass mich einfach in Ruhe, ja? Ich kann auf mich selber aufpassen.«
    Der Türsteher grinste. Wahrscheinlich dachte er, sie wären nur irgendein Liebespaar, das Streit miteinander hatte.
    »He, jetzt hab dich doch nicht so!«, machte Peer weiter. »Wenigstens einen Kuss noch, ja? Zum Abschied, okay? Ich hab dir schließlich auch den Drink bezahlt, da kannst du mich hier nicht einfach so stehen lassen, als wäre ich nur irgendein Penner, der dich blöd anmacht …« Er versuchte, sie zu umarmen.
    Julia hatte keine Ahnung, wo der andere Typ plötzlich herkam. Vielleicht hatte er schon die ganze Zeit auf der Straße gestanden und sie beobachtet, als sie aus dem Clubkamen. Jedenfalls war er plötzlich da und schob sich zwischen den Gärtner und sie.
    »Scheint aber, als wollte dir meine kleine Schwester keinen Abschiedskuss geben«, sagte er nicht einmal besonders laut, aber doch so, dass der Gärtner irritiert zur Seite wich.
    »Wie jetzt, deine Schwester? Wer bist du überhaupt? Willst du Streit, oder was?«
    »Das liegt an dir«, sagte der Typ ganz ruhig, während er demonstrativ seine Hand in die Tasche seiner Lederjacke schob, als wollte er nach irgendeiner Waffe greifen. »Du kannst jetzt einfach den Abflug machen oder …«
    Er ließ den Satz unvollendet in der Luft hängen, aber die Drohung war klar.
    Der Gärtner nuschelte noch irgendwas vor sich hin, bevor er sich umdrehte und wieder im Club verschwand.
    Der Türsteher grinste immer noch.
    Julias Retter legte ihr den Arm um die Schultern und zog sie mit sich. Das Problem war nur, dass sie ihn noch nie vorher gesehen hatte. Und sie hatte auch keinen Bruder.

MERETTE
    Ihr war klar, dass sie sich alles andere als professionell verhalten hatte. Sie hätte sich im Nachhinein selber dafür ohrfeigen können, dass sie sich derartig hatte provozieren lassen und schließlich regelrecht ausgeflippt war. Und sie war sich mittlerweile sicher, dass ihr Patient genau gewusst hatte, wie er ihr den Boden unter den Füßen wegziehen konnte. Es war gar nicht das Leugnen seiner früheren Aussagen gewesen – das passte nur zu gut zu dem typischen Verhalten des Soziopathen –, sondern die unerwartete Dreistigkeit, mit der er von da an den Ablauf bestimmt hatte. Im Übrigen war ihr ein Patient, der von sich aus vor der Zeit eine Sitzung beendete, bislang noch nicht untergekommen. Und sie war immer noch in ihrer Berufsehre gekränkt, dass sie wie eine Anfängerin darauf reingefallen war. Es hatte nicht viel gefehlt, und sie wäre noch hinter ihm her auf die Straße gerannt, um ihn wüst zu beschimpfen!
    Nicht zum ersten Mal registrierte sie verärgert, dass sie in ihren Gedanken bereits seit der unerwarteten Wendung ihres ersten Gesprächs immer von einem »Patienten« statt einem »Klienten« ausging, obwohl das allen Grundlagen einer professionellen Arbeit widersprach. Auch darüber würde sie bei der Supervision unbedingt sprechen müssen!
    Ihre erste Reaktion heute Mittag war gewesen, die Kollegenin der Sozialpsychiatrie über den neuen Vorfall zu informieren. Wobei das Problem war, dass sie selbst immer mal wieder Schwierigkeiten mit eben diesen Kollegen hatte und ihnen im Stillen vorwarf, zu viele Fälle rein nach Aktenlage zu entscheiden, auch jetzt würden sie wahrscheinlich das Ganze mit einem Schulterzucken abtun und den Vorgang an einen anderen Kollegen geben. Damit wäre sie zwar den Fall los, aber noch lange nicht ihre ungeklärte Angst, dass sie in etwas hineingeraten war, was sie nicht so einfach in den Griff bekam. Wenn sie ihren Patienten richtig einschätzte, würde er sie auch dann nicht in Ruhe lassen, sondern sich andere Wege suchen, wie er sein Machtspiel fortsetzen konnte.
    Merette hatte keine Ahnung, wieso er sich ausgerechnet sie als Zielscheibe für seine aufgestaute Aggression gewählt hatte, aber sie war überzeugt, dass es genauso war. Und mehr denn je machte sie sich Sorgen, wie weit er womöglich gehen würde, und wünschte sich, dass Julia weit weg von jedem Zugriff wäre. War sie aber nicht, sondern wohnte quasi um die Ecke.
    Nur mit Mühe hatte Merette die Sitzungen durchgestanden, die bis zum Abend in ihrem Terminkalender eingetragen waren. Dann hatte sie nur ihre Tasche und ihre Jacke genommen und war zum Nordnes-Park am Aquarium hinübergelaufen. Auf dem Weg hatte sie sich an

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