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Schwesterlein muss sterben

Schwesterlein muss sterben

Titel: Schwesterlein muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Wolff
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tun, als wärst du gerade erst gekommen? Ich geh nur schnell duschen und du …«
    »Ich mach uns solange was Warmes zu essen. Die Brötchen kannst du dir immer noch aufbacken, aber ich glaube, wir könnten jetzt beide was Richtiges vertragen.« Julia nickte und hauchte ihrer Mutter einen Kuss zu.
    »Spaghetti sind im Regal, Tomaten in der Schale. Und im Kühlschrank sind Fischklößchen. Hab ich gestern erst auf dem Torget geholt.«
    Als Julia ins Badezimmer ging, machte sich Merette bereitsmit der Pfanne zu schaffen und setzte das Spaghettiwasser auf.
    Julia beeilte sich. Unter der Dusche legte sie den Kopf in den Nacken und ließ das heiße Wasser über ihre Haare strömen, bis sie merkte, wie sie sich langsam entspannte.
    Als sie das Wasser abdrehte und nach dem Handtuch griff, meinte sie, die Wohnungstür ins Schloss fallen zu hören. Noch während sie sich die Haare abtrocknete, tapste sie barfuß in die Küche. Ihre Füße hinterließen feuchte Abdrücke auf den Holzdielen.
    Der Topf mit dem Spaghettiwasser stand auf dem Herd, in der Pfanne schwamm ein Klecks Butter. Aber beide Platten waren ausgeschaltet. Und Merette war verschwunden. Genauso wie die Brötchentüte. Auch die Zeitung fehlte, die sie vorhin mitgebracht und auf den Tisch gelegt hatte.
    Julia musste nicht erst noch in ihrem Zimmer nachsehen, um zu wissen, dass ihre Mutter gegangen war. Irritiert überlegte sie, was der Grund gewesen sein könnte, dass Merette einfach grußlos verschwunden war.
    Im nächsten Moment meldete ihr Handy eine SMS.
    sorry kleines aber ich musste los sei nicht böse ich erklär’s dir später hab dich lieb merette
    Und sie hat immer noch nicht gelernt, wie man Satzzeichen eingibt, dachte Julia. Als wäre das das einzige Problem, das es gab. Ärgerlich verpasste sie dem Stuhl, auf dem Merette gesessen hatte, einen Tritt, dass er ein Stück über den Boden rutschte und gegen die Wand knallte.
    Unten im Hof hörte sie Stimmen, irgendjemand rapte einen Song, der mehr oder weniger nur aus »fuck you«bestand: »Fuck your mother, fuck your father, fuck your brother, fuck your sister …« Erst als sie ans Fenster trat und den Nachbarsjungen mit zwei seiner Kumpel sah, fiel ihr ein, dass sie immer noch nackt war.

MERETTE
    Natürlich war es lächerlich gewesen, einfach so zu verschwinden, dachte Merette. Sie hätte wenigstens kurz den Kopf ins Badezimmer stecken sollen, um auf Wiedersehen zu sagen. Aber sie hatte unbedingt vermeiden wollen, dass Julia etwas fragte, worauf sie keine Antwort hatte.
    An der Ampel zur Teatergate fischte sie ihr Handy aus der Handtasche und schrieb eine kurze Nachricht an Julia. Als die Ampel auf Grün sprang, drückte sie auf senden und schaltete das Handy dann aus. Im letzten Moment konnte sie einem Radfahrer ausweichen, der plötzlich vor ihr auf der Straße war.
    »Reiß dich zusammen, Merette«, sagte sie halblaut vor sich hin und hob die Hand vor den Rückspiegel, um sich zu entschuldigen.
    Der Radfahrer zeigte ihr den ausgestreckten Mittelfinger und brüllte irgendwas hinter ihr her. Merette schob eine CD in den Player und drehte die Lautstärke hoch. »I need a lover, I need a friend«, sang Elg von Dance with a Stranger, »need someone who ain’t running away.« Der schleppende Rhythmus des Songs hüllte Merette ein und ließ sie den Kopf ans Seitenfenster legen und laut mitsingen: »Everyone needs a friend sometimes, that’s what it’s all about …«
    Als sie hinter Godvik die Brücke über den Byfjord passierte, lag links und rechts das Meer in gleißendes Sonnenlicht getaucht, die Segel der Boote leuchteten als weiße Tupfer im endlosen Blau. Für einen kurzen Moment vergaß sie fast, dass sie nicht auf einer Ausflugsfahrt ans Meer war, sondern dass sie ein Ziel hatte, das vielleicht endlich etwas erklären würde, auch wenn sie sich gleichzeitig vor dem fürchtete, was sie womöglich erfahren würde.
    Sie hatte die Zeitung eigentlich eher zufällig hochgenommen, während sie darauf wartete, dass das Spaghettiwasser anfing zu kochen. Und dann war ihr Blick an der Nachricht hängengeblieben, die ganz unten auf der Seite stand: TRAGISCHER UNGLÜCKSFALL AUF SOTRA. Ein zwölfjähriges Mädchen war beim Spielen offensichtlich von den Felsen gerutscht und im Meer ertrunken, Zeugen hatte es keine gegeben, der Redakteur ließ sich lang und breit darüber aus, dass das Mädchen eine gute Schwimmerin gewesen war, die das Meer und die Küste bestens kannte und für ihr Alter als sehr

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