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Schwesterlein muss sterben

Schwesterlein muss sterben

Titel: Schwesterlein muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Wolff
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Heinzelmann, wo Mutti sonst nur blasen kann! Der Typ lacht sich halb schlapp, und zack!, ist die Sache gelaufen. Und Mister Neunmalklug denkt auch noch, dass er echt ein Schnäppchen gemacht hätte. So geht das, Leute, ich sag’s euch!«
    Merette konnte nicht entscheiden, ob seine Formulierungen mit Absicht zweideutig waren, aber nachdem seineKollegen ihm wiehernd Beifall geklatscht hatten, war sie überzeugt, dass er es genau darauf angelegt hatte.
    Merette fand die Gruppe mit ihrer zotigen Prahlerei einfach nur widerlich und musste sich stark zusammennehmen, um nicht aufzustehen und ihnen die Meinung zu sagen. Und sie sind vielleicht gerade mal ein paar Jahre älter als Julia, dachte sie noch, woher kommt diese Kegelvereins-Mentalität?
    Sie war so in ihren Gedanken, dass sie den Betreuer erst bemerkte, als er bereits an ihrem Tisch stand. Er war klein, schob aber einen ziemlichen Bauch vor sich her, der weit über den Gürtel seiner Hose hing, seine Beine in der Jeans bildeten einen auffälligen Kontrast dazu und wirkten wie zwei dürre Stecken.
    Die untere Hälfte seines Gesichts bedeckte ein ungepflegter Vollbart, die Stirnglatze und das karierte Hemd machten den Gesamteindruck nicht unbedingt besser, aber seine Augen waren klar und forschend, in den Augenwinkeln hatte er kleine Lachfalten.
    »Hej«, sagte er und streckte ihr die Hand hin. »Frode. Aber das weißt du ja schon.«
    Sein Händedruck war kräftig und fühlte sich unerwartet gut an.
    »Merette – schön, dass du kommen konntest.«
    Er zog einen Stuhl zurück und setzte sich. »Lass mich eins zu Anfang mal klarstellen: Ich entschuldige mich, wenn ich vorhin am Telefon den Eindruck gemacht habe, dass ich nicht mit dir reden wollte. Aber es gibt so Tage …« Er breitete die Arme aus und zuckte mit den Schultern. »Ich hoffe, du weißt, was ich meine. Also, worum geht’s?«
    »Wie ich es dir am Telefon gesagt habe. Ich habe den Fall Aksel übernommen, weil der zuständige Kollege in der Sozialpsychiatrie krank geworden ist und die Sache offensichtlich zu dringend war, um warten zu können.«
    Er nickte. »Aksel – stimmt, ich habe Druck gemacht. Aber typisch, dass ich erst heute Mittag von dir erfahren habe, dass der Fall sozusagen outgesourct worden ist. Mir hat niemand was davon gesagt. Also versteh mich nicht falsch, nichts gegen dich, aber …«
    Merette holte tief Luft. Jetzt nicht wieder das ewig gleiche Lamento, dass der Informationsfluss zwischen den verschiedenen Abteilungen nicht funktioniert, dachte sie. Als sie weiterredete, merkte sie, dass ihr Ton bereits wieder leicht gereizt war.
    »Wie auch immer, Frode. Du bist jedenfalls sein Betreuer für alle rechtlichen und finanziellen Belange, und du hast ein psychologisches Gutachten beantragt. Warum?«
    »Moment! Du kennst doch seine Akte? Du hast doch also auch …« Er brach mitten im Satz ab, weil der Kellner an ihren Tisch trat.
    »Für mich nichts mehr, danke«, sagte Merette und setzte für Frode hinzu: »Ich hab schon Frühlingsrollen gegessen, sorry, aber ich konnte nicht warten, und ich war mir auch nicht sicher, ob du überhaupt kommen würdest.«
    Frode nickte und bestellte eine scharfe Gemüsesuppe, ohne erst einen Blick auf die mit Plastik überzogene Karte zu werfen.
    »Gemüsesuppe geht immer«, erklärte er Merette, kaum dass der Kellner sich umgedreht hatte. »Da können sie wenigstens nichts falsch machen.« Er beugte sich nach vorne über den Tisch. »Warum treffen wir uns eigentlich ausgerechnethier? Ich kann mir kaum vorstellen, dass das dein Lieblings-Chinese ist.«
    Wie aufs Stichwort brach die Gruppe der Staubsaugervertreter wieder in anzügliches Gelächter aus.
    »Ist es ganz bestimmt nicht«, sagte Merette, »aber ich mag keine Büros, und zu mir nach Hause zu kommen wollte ich dir nicht zumuten.«
    »Verstehe.« Er lehnte sich zurück. »Also gut. Ich nehme an, du hast die Akte gelesen und den Bericht, den ich angeheftet habe.«
    »Was für einen Bericht?«
    Er blickte Merette irritiert an. »Meine Begründung. Warum ich das Gutachten anfordere! – Nein, das kann jetzt nicht sein!«, setzte er hinzu, als er Merettes Gesicht sah.
    »Was? Wovon redest du? Die Akte ist nicht gerade das, was ich vollständig nennen würde, da sind zig Punkte, zu denen ich noch Fragen hätte. Aber ganz sicher gibt es da keine Begründung von dir, warum …«
    Frode schlug mit der Faust auf den Tisch. »Das ist doch eine elende Schlamperei! Und das ist nicht das erste Mal, glaub mir,

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