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Schwesterlein muss sterben

Schwesterlein muss sterben

Titel: Schwesterlein muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Wolff
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Sozialstunden abgeleistet hat, das zweite, als er gerade seine Ausbildung zum Koch abgeschlossen hatte. In beiden Fällen ist das nicht weiterverfolgt worden, weil es keine Anzeichen von Fremdverschulden gab. Aber die Frage ist doch, ob da nicht ein bisschen viel Zufall im Spiel ist, oder?«
    »Hast du mit irgendjemandem darüber gesprochen?«, brachte Merette mit Mühe heraus. Ihre Stimme war kaum mehr als ein heiseres Flüstern.
    »Mit meinem Stellenleiter, ja. Weil ich nicht wusste, was ich damit anfangen sollte. Meine erste Reaktion war, die Polizei einzuschalten, aber …«
    »Und dein Stellenleiter?«
    »Hat mich da ein bisschen zurückgepfiffen. Deshalb auch das Gutachten, das ich angefordert habe. Um irgendeine Einschätzung zu kriegen. Es kann ja nicht angehen, dass wir einen Klienten aufgrund irgendwelcher Verdachtsmomente, die wahrscheinlich vollkommen haltlos sind, weiter in die Sackgasse treiben, in der er ohnehin schon steckt. – Ich weiß, ich hätte dir das gar nicht erzählen sollen, damit du unvoreingenommen an die Sache rangehen kannst, aber …«
    »Es ist schon okay. Ich danke dir, dass du es erzählt hast.«
    Frode schien erleichtert zu sein. Es war offensichtlich, dass ihm der Fall mehr zu schaffen machte, als er zugeben wollte. Als er sich jetzt vorbeugte und erneut nach MerettesArm griff, spürte sie deutlich die Intensität, die von ihm ausging. Er war wahrscheinlich wirklich ein guter Sozialarbeiter, dachte sie, niemand, der nur nach Vorschrift arbeitete. Sie wusste, was jetzt kommen würde. Sie zögerte noch, wie viel sie ihrerseits erzählen sollte. Am liebsten hätte sie das Gespräch beendet, um allein mit ihren Gedanken zu sein.
    »Und?«, fragte Frode forschend. »Was meinst du? Kannst du schon irgendwas sagen, wie du ihn einschätzt? Du hast ihn doch inzwischen kennengelernt, oder?«
    »Habe ich, ja. Und ich habe ein Problem mit ihm. Er versucht gerade ganz eindeutig, ein Machtspiel mit mir zu spielen. Ich komme nicht weiter mit ihm. Er zeigt eine starke Antihaltung gegenüber … Psychologen ganz im Allgemeinen, aber vielleicht geht es auch nur um meine Person dabei, ich weiß es nicht.«
    »Er hat viel Scheiß erlebt«, sagte Frode. »Und deine Kollegen sind nicht immer unbedingt …« Er strich sich über den Bart, als würde er nach einer möglichst unverfänglichen Formulierung suchen. »Keine Ahnung, wie ich es ausdrücken soll, aber Fakt ist doch, dass man bei manchen den Eindruck bekommen muss, sie würden selber dringend eine Therapie brauchen. Zumindest wissen sie nur in den seltensten Fällen, was draußen auf der Straße so läuft, im richtigen Leben, meine ich. Ich würde das jedenfalls nicht unbedingt auf mich beziehen, wenn er zu blocken versucht.«
    Merette setzte an, um etwas zu erwidern, schüttelte dann aber nur den Kopf und fragte unvermittelt: »Wie alt ist die Bedienung in der Kneipe?«
    »Ich hab sie nur kurz hinter der Theke gesehen. Mitte zwanzig, schätze ich. Warum fragst du?«
    »Nur so, ist auch egal.«
    Aber es ist nicht egal, dachte sie. Mitte zwanzig, Julia ist genauso alt!
    Frode strich sich müde über den Bart und wartete darauf, dass sie weiterreden würde. Die Staubsaugervertreter waren jetzt dazu übergegangen, sich auf einem Laptop kleine Youtube-Filmchen anzusehen, die sie lautstark kommentierten. Der Kellner stand im Durchgang zur Küche und unterhielt sich in gebrochenem Englisch mit einem Kollegen.
    »Pass auf«, sagte Merette. »Ich wollte den Fall eigentlich schon abgeben, aber …«
    »Nein, mach das nicht!«, rief Frode fast entsetzt. »Du musst da weitermachen, also, ich meine, wenn vielleicht doch was dran ist an der Geschichte, dann bist du gerade die Einzige, die …«
    Diesmal legte Merette ihm die Hand auf den Arm.
    »Ich kann es noch mal versuchen, aber ich habe keine Ahnung, ob es uns irgendwie weiterhelfen wird. Und das erste Problem ist schon mal, dass wir die letzte Sitzung … beendet haben, ohne einen neuen Termin auszumachen. Frag mich jetzt nicht, wieso, dazu möchte ich im Moment nichts sagen. Jedenfalls weiß ich gar nicht, wie ich ihn erreichen soll.«
    »Aber ich. Morgen ist wieder sein wöchentlicher Rapport bei mir angesagt. Ich ruf dich dann an, wenn er da ist, und ihr macht was aus. Okay? Und wir bleiben bitte in Verbindung, ja? Ich habe irgendwie das Gefühl, mich schon viel zu weit aus dem Fenster gelehnt zu haben, also sollten wir die Sache jetzt auch bis zum Ende zusammen durchstehen.«
    »In Ordnung, Frode,

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