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Schwesterlein muss sterben

Schwesterlein muss sterben

Titel: Schwesterlein muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Wolff
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Sie musste Aksel nochmals sehen, um mit ihm zu reden. Sie wusste inzwischen, wie sie versuchen konnte, seine Schutzmauer zu durchbrechen. Ihre Taktik würde nicht unbedingt dem Lehrbuch entsprechen, aber darauf kam es nicht an. Nur musste sie dazu überhaupt erst mal wieder einen Kontakt zu ihm bekommen! Und sie hatte keine Ahnung, wie ihr das gelingen sollte.
    »Mal was ganz anderes«, unterbrach Frode ihren Gedankengang. »Ich fand das gut gestern mit dir, da bei dem Chinamann. Vielleicht könnten wir das Ganze noch mal wiederholen, also auf privater Ebene, wenn du weißt, was ich meine.«
    Merette schüttelte nur den Kopf, ohne eine Antwort zu geben. Erst als Frode sich verlegen räusperte, wurde ihr klar, dass er sie ja nicht sehen konnte und auf eine Antwort wartete.
    »Tut mir leid, Frode, aber ich weiß nicht …«
    »Schon gut, sollte keine Anmache sein. Ich wollte nur sagen …«
    »Lass uns bitte versuchen, das irgendwie zu trennen, ja? Beruf und Privatleben, meine ich. Ich bin im Moment nicht so offen für … Freundschaften, sei mir nicht böse. Vielleicht fragst du mich noch mal, wenn wir diese Sache geklärt haben.«
    »Ich nehme dich beim Wort, verlass dich drauf.«
    »Und du meldest dich, sobald du etwas von Aksel hörst?«
    »Geht klar.« Merette hörte, wie ein Kollege in FrodesBüro kam und eine Frage an ihn stellte. »Ich muss jetzt Schluss machen, Merette, hej hej.«
    Merette überlegte kurz, ob sie Julia anrufen sollte. Aber sie wusste nicht, was sie außer »Wie geht es dir?« und »Ist alles in Ordnung?« sagen sollte. Und für den Fall, dass Julia inzwischen etwas von Marie gehört hatte, hätte sie sich längst gemeldet.
    Sie checkte sicherheitshalber noch mal die Liste der eingegangenen Anrufe und stellte den Klingelton lauter. Dann schob sie das Handy in ihre Handtasche. Mit einem Blick auf ihren Terminkalender vergewisserte sie sich, dass ihr nächster Patient erst wieder am späten Nachmittag kommen würde. Es war der Beginn der Ferienzeit, und wie immer im Hochsommer hatte sie nur wenige Termine. Das würde sich schlagartig ändern, wenn die Tage wieder kürzer wurden und die Dunkelheit und der Regen die Menschen in die üblichen Herbstdepressionen rutschen ließen, aber zurzeit schienen auch die psychisch Labilen mit sich und der Welt zumindest halbwegs klarzukommen und therapierten sich lieber selbst, indem sie in ihren Sommerhäusern an der Schärenküste oder irgendeinem Bergsee eine Auszeit nahmen.
    Als Merette aus der Haustür trat, war der Himmel leicht bewölkt, aber es sah nicht nach Regen aus, und es war unverändert sommerlich warm.
    Hinter dem Scheibenwischer des Volvos klemmte ein Zettel mit einer Telefonnummer. Ein Festnetzanschluss in Bergen, ohne einen Namen oder irgendeine Information dazu, worum es ging. Erst als Merette mit dem Zettel in der Hand die Fahrertür aufschloss, sah sie, dass der Außenspiegel verdreht und das Glas gesprungen war. Jemand hatteden Volvo also im Vorbeifahren gestreift, der Spiegel ließ sich jedoch problemlos in die Ausgangsstellung zurückdrücken, und der Sprung war Merette im Moment egal. Der Volvo war ohnehin so verbeult und verkratzt, dass es auf einen kaputten Spiegel auch nicht mehr ankam. Trotzdem ärgerte sie sich. Und ihr Ärger schlug in Wut um, als sie noch einmal um den Wagen herumging und entdeckte, dass ihr zu allem Überfluss jemand in den Schmutz auf der Heckscheibe den Satz gemalt hatte: NUR FOTZEN GLOTZEN.
    Auch nachdem Merette die Aufschrift mit einem Papiertaschentuch unleserlich gemacht hatte, kam sie sich immer noch verletzt und als Frau auf eine widerliche Art beleidigt vor.
    Auf dem Weg zur Nygårdsgate war kaum Verkehr. Merette parkte wieder halb vor der Einfahrt und betrat den Hinterhof. Wie schon bei ihrem letzten Besuch wummerten dumpfe Elektrobeats aus einem der oberen Stockwerke, in Aksels Wohnung rührte sich nichts, auch diesmal ließ der Blick durch das Küchenfenster keinen Rückschluss darauf zu, wann Aksel das letzte Mal zu Hause gewesen war. Allerdings hatte sie den Eindruck, dass auf dem Küchentisch mehr Briefe und Reklamezettel lagen als zuvor. Merette hatte nicht wirklich damit gerechnet, Aksel anzutreffen, aber sie hatte es wenigstens versuchen wollen. Jetzt stand sie eine Weile unschlüssig auf dem Fußweg neben ihrem Auto, bevor sie zögernd den kleinen Zeitschriftenladen gegenüber betrat.
    Obwohl sie noch eine fast volle Packung Zigaretten in der Tasche hatte, kaufte sie anstandshalber ein neues

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