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Schwesterlein muss sterben

Schwesterlein muss sterben

Titel: Schwesterlein muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Wolff
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Päckchen, dann sagte sie eher nebenbei: »Ich suche einen jungenMann aus der Nachbarschaft. Groß, ziemlich dünn, blonde Haare, meistens trägt er einen Jogginganzug. Er wohnt in dem Hinterhaus gegenüber. Ich müsste ihn dringend sprechen. Ich habe leider keine Ahnung, ob er in die Ferien gefahren ist oder …«
    »Hat er so einen Namen von einer Uni auf der Jacke?«
    »Ja, ich denke, das ist er.«
    »Ich hab mich auch schon gewundert, wieso er die letzten Tage nicht gekommen ist. Er holt sich sonst regelmäßig das Wochenheft mit den Intelligenz-Rätseln ab. Ich lege schon immer ein Exemplar für ihn beiseite.«
    Die junge Frau hinter dem Tresen schob Merette ein Heft »Teste deine Intelligenz« hin. »Das ist die neue Ausgabe, ist gestern schon erschienen.«
    »Aber er hat sich das Heft nicht abgeholt?«
    »Sag ich doch. Wieso, sind Sie von der Polizei?«
    »Nein, aber …«
    »Also doch von der Polizei, sonst würden Sie bestimmt nicht solche Fragen stellen!« Sie beugte sich weit vor und setzte atemlos flüsternd hinzu: »Glauben Sie, dass es da vielleicht einen Zusammenhang gibt?«
    »Was?«, fragte Merette irritiert. »Ich verstehe nicht ganz …«
    »Ist doch klar, dass Sie nichts sagen dürfen. Aber ich hab’s schon kapiert, hier!«
    Sie nahm die oberste Zeitung von dem Stapel neben der Kasse und schlug die Seite mit dem Foto von Marie auf. »Ich bin doch nicht blöd! Das Mädchen hier wird doch auch vermisst, und jetzt der nette Typ von gegenüber, also nimmt die Polizei an, dass die beide entführt worden sind und vielleicht sogar noch andere, und zwar von einem Serientäter,der sie erst entführt und dann zerstückelt. Das glauben Sie doch, oder?«
    Merette hatte Mühe, nicht laut loszulachen. Die junge Frau klebte förmlich an ihren Lippen, als sie mit einem Lächeln, das hoffentlich nicht allzu spöttisch wirkte, zurückfragte: »Sie lesen viele Kriminalromane, schätze ich?«
    »Vor allem amerikanische Thriller mit wahnsinnigen Serienmördern und solchen Sachen«, kam rasch die Antwort. Ein flüchtiger Blick auf die Verkaufssäule mit den billigen Taschenbuchkrimis bestätigte Merettes Verdacht, dass die Verkäuferin die Pausen zwischen den Kunden nutzte, um alles zu lesen, was mit möglichst blutrünstigen Covern den erwünschten Grusel versprach.
    Merette beugte sich ebenfalls vor und wechselte vom »Sie« zum vertraulichen »Du«: »Ich darf da leider keine Details nennen, das verstehst du doch, oder?«
    Die junge Frau nickte mit offenem Mund, ihre Augen hinter der randlosen Brille waren weit aufgerissen.
    »Gut«, erklärte Merette. »Aber wenn du noch irgendwas über den jungen Mann weißt, dann erzähl es mir jetzt. Jede Kleinigkeit kann wichtig sein, das kennst du ja aus deinen Büchern.«
    »Er ist nett, aber das habe ich ja schon gesagt. Und er interessiert sich nicht für Krimis, sondern kauft immer nur die Hefte mit den Tests, also muss er ziemlich schlau sein, denke ich. Aber einmal habe ich mich doch gewundert, da wollte er wissen, ob ich ihm auch irgendwelche Märchen besorgen könnte. Es gibt da so eine Reihe mit alten Märchen, aber die habe ich nicht. Ist doch komisch, wenn einer, der so schlau ist, Märchen lesen will, oder?«
    »Merkwürdig, ja«, bestätigte Merette.
    »Und dann ist da noch was, was mir aufgefallen ist …«
    »Ja?«
    »Er hat nie versucht, mit mir zu flirten. Sonst machen die Männer hier immer mal so Sprüche oder wollen mich zum Essen einladen oder zu sich nach Hause, um mir angeblich ihre Krimisammlung zu zeigen. Und einer wollte sogar mal Pornos mit mir gucken, aber er nie!«
    Irgendwie klang ihre Stimme fast bedauernd. Gleich darauf schien ihr jedoch ein Gedanke zu kommen, der sie eindeutig erschreckte.
    »Sagen Sie mal, Sie meinen doch nicht … also dass … dass …«
    Merette legte ihr beruhigend die Hand auf den Arm. »Was denn? Was soll ich vermuten?«
    »Dass er … also der nette junge Mann, ich hab da nämlich mal einen Krimi gelesen, da war es genauso.«
    »Was war da genauso?«
    »Der nette junge Mann war der Mörder! Und ich habe es bis zum Schluss nicht gemerkt, ich hatte sogar noch Mitleid mit ihm, weil er es echt schwer hatte in seiner Kindheit, aber dann war er der Mörder! Und Sie glauben nämlich gar nicht, dass er auch entführt worden ist. Der junge Mann, der immer die Hefte mit den Intelligenztests kauft, meine ich. Deshalb stellen Sie mir die ganzen Fragen! Weil Sie denken, dass er es ist, der das Mädchen aus der Zeitung entführt

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