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Schwesterlein muss sterben

Schwesterlein muss sterben

Titel: Schwesterlein muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Wolff
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ihr den nötigen Spielraum gelassen, um die Hütte nach irgendwas abzusuchen, womit sie ihrem Peiniger eine Falle stellen konnte. Vielleicht schon am Nachmittag, vielleicht noch früher. Dabei musste sie irgendwann den Pappkarton mit den Nägeln entdeckt haben, und dann hatte sie den Spalt zwischen den Holzdielen gefunden, in dem sich ein Nagel aufrecht, mit der heimtückischen Spitze nach oben, verklemmen ließ. Danach hatte sie nur noch zu warten brauchen und ihn mit einem lächerlichen Trick in ihre Richtung locken, bis er sich selbst aufspießte.
    Was ihn am meisten irritierte, war, dass sie das Muster durchbrochen hatte. Es war, als hätte sie die stillschweigende Übereinkunft zwischen ihnen aufgekündigt, dass sie nicht den kleinsten Versuch machen würde, sich ihm zu widersetzen. Und jetzt hatte sie ihn wie einen dummen Schuljungen einfach übertölpelt – und ihn sogar noch ausgelacht! Und was das Ganze noch schlimmer machte: Sie hatte ihm Angst eingejagt!
    Als er nach seiner kurzen Ohnmacht den verletzten Fuß mit einem Ruck von dem Nagel zog, war er kaum in der Lage gewesen, sich mit einem alten Lappen einen notdürftigen Verband anzulegen. Und er hatte nur noch zurück zum Campingplatz gewollt, um mit seinem Schmerz und seinem verletzten Ego allein zu sein. Mit zusammengebissenen Zähnen war er zur Tür gehumpelt, ohne noch ein Wort zu sagen, als die Schlampe dann plötzlich voller Panik hinter ihm herrief, dass er sie nicht allein lassen sollte, dass sie Hunger hatte,dass sie etwas zu trinken brauchte, hatte er nur das Schloss vorgehängt und war auf sein Moped gestiegen.
    Er würde sie bestrafen müssen, das war ohne jede Frage, aber er brauchte mehr Zeit. Er hatte keine Kontrolle mehr über das Geschehen gehabt, und die Nacht, in der er sich schlaflos und vor Schmerzen wimmernd auf dem Bett hin und her wälzte, war die schlimmste Nacht, die er je erlebt hatte. Am Morgen war ihm klar, dass er einen Arzt brauchte, als er vorsichtig den Verband abwickelte, war sein Fuß dick angeschwollen und die gezackten Wundränder waren nass und klebrig.
    Das Krankenhaus war die einzige Lösung gewesen, die ihm einfiel, er hatte gehofft, dass er damit durchkommen würde, wenn er ihnen irgendetwas von einem Arbeitsunfall erzählte, bevor sie Verdacht schöpfen konnten. Dass er dann ausgerechnet die Psycho-Schlampe mit ihrem Volvo sehen musste, hatte nicht zum Plan gehört. Und sie auch noch zu verfolgen, war vollkommen bescheuert gewesen, eine Kurzschlussreaktion, nichts weiter. Als sie zu ihm nach Hause fuhr, war er kurz davor, sie sich zu schnappen, um sie in seine Gewalt zu bringen, aber er hatte im letzten Moment entschieden, dass das Risiko zu groß war. Als sie dann in den Zeitschriftenladen ging, wusste er, dass er nicht mehr länger warten durfte.
    Was dann eigentlich im Aquarium passiert war, verstand er immer noch nicht. Es war nicht sein Scheißfuß gewesen, der ihn erneut aus dem Konzept brachte, sondern die Psycho-Schlampe selbst, die ihn in die Ecke getrieben hatte. Ihre Reaktion stand in krassem Gegensatz zu dem, was er erwartet hatte – und alles, was er sich jemals überlegt hatte, wie er sie fertigmachen würde, hatte sich plötzlich in Luft aufgelöst. Und dann war es nichts weiter als Glück gewesen,dass im Krankenhaus gerade der Hilfsdealer Dienst gehabt hatte, sonst …
    Er musste sich eingestehen, dass sein Plan endgültig gescheitert war. Aber er durfte jetzt nicht aufgeben. Er musste sich dazu zwingen, nach vorne zu blicken. Es ging jetzt nur noch darum, wie er die Sache zu Ende brachte, ohne als Verlierer in einem Spiel dazustehen, das er selbst begonnen hatte.
    Mit gierigen Schlucken trank er das lauwarme Wasser aus der Plastikflasche, die neben seinem Bett stand. Der verletzte Fuß war ein Handicap, aber damit würde er klarkommen. Die Schmerzmittel würden ihm dabei helfen.
    Als es plötzlich an der Tür klopfte, schreckte er hoch.
    »Hallo? Ist da jemand? Bist du zu Hause?«
    Eine Männerstimme, die er nicht zuordnen konnte.
    »Ja, aber ich penne, was ist los? Ich hab keinen Bock, irgendjemanden zu sehen …«
    »Entschuldigung. Ist nur eine Frage, du kannst gleich weiterschlafen. Aber komm wenigstens mal kurz zur Tür!«
    Er rollte sich aus dem Bett und robbte über den Fußboden zum Fenster. Der Fuß schmerzte sofort wieder unerträglich. Während er sich aufrichtete, griff er nach dem Brotmesser, das neben der Spüle lag.
    Draußen vor der Hütte stand ein Pick-up, den er noch nie auf

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