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Schwesterlein muss sterben

Schwesterlein muss sterben

Titel: Schwesterlein muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Wolff
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setzte ihm so zu, dass er mehrmals kurz davor war, über dem Lenker zusammenzusacken. Als er an der Hütte auf dem Campingplatz ankam, musste er sich noch vor der Tür heftig übergeben. Zum Glück hatte ihn niemand dabei beobachtet.
    Jetzt lag er völlig entkräftet auf dem schmalen Bett und kämpfte abwechselnd mit Schweißausbrüchen und Schüttelfrost. Benommen fragte er sich, ob der Pfleger ihn vielleicht geleimt hatte. Er hatte keine Ahnung, was der Typ ihm da vorhin überhaupt gespritzt hatte. Angeblich ein Antibiotikum, aber der Penner hatte auch noch was von Wundstarrkrampf gelabert und dass er dringend einen Arzt brauchen würde. Er hatte Mühe gehabt, ihn davon zu überzeugen, dass er bessermal für einen kurzen Moment zum Rauchen vor die Tür gehen sollte.
    Andererseits hatte er verdammtes Glück gehabt, dass er den Typen überhaupt kannte und wusste, womit er ihn unter Druck setzen konnte. Und der verschissene Hilfsdealer würde den Teufel tun und jetzt irgendwas über ihn zu erzählen, dazu stand zu viel für ihn auf dem Spiel. Er konnte es nicht riskieren, dass seine kleine Nebenbeschäftigung aufflog, außerdem war er derjenige gewesen, der ihm das Betäubungsmittel verschafft hatte!
    Für einen kurzen Moment musste er weggesackt sein. Wirre Bilder jagten durch seinen Kopf. Er war wieder an der Hütte, in der die kleine Schlampe darauf wartete, dass er ihr etwas zu essen und zu trinken brachte. Er hatte sich vorgestellt, wie er sie mit dem Picknick überraschen würde. Draußen, auf dem Bootssteg, im Mondlicht. Er hatte sogar tatsächlich ein paar Windlichter im Supermarkt besorgt. Dass es eigentlich rote Grabkerzen waren, fand er nur passend für die Situation. Vielleicht würde er ihr tatsächlich ein Glas Rotwein anbieten, obwohl er es eigentlich nicht mochte, wenn Frauen Alkohol tranken. Aber zu diesem besonderen Anlass wäre eine Ausnahme wahrscheinlich ganz okay. Zumindest würde er sie ein paar Schlucke nippen lassen, während er ihr vielleicht ein altes Märchen erzählte. Und dann würde er die Maske vom Gesicht nehmen, er brauchte sie nicht mehr, es wäre egal, sie durfte ruhig versuchen, sich sein Aussehen einzuprägen, es würde ihr nichts mehr nützen …
    Dann sah er sich vor der Hütte, wie er leise näher schlich und lauschte, ob er ein Geräusch von ihr hören würde. Er liebte diesen Moment, in dem sie noch nicht ahnte, dass er längst vor der Tür war. Zwei Nächte zuvor hatte sie leise mitsich selbst geredet, er hatte nicht viel mehr als ihr Gemurmel gehört, ohne dass er die Worte verstehen konnte, aber es war für ihn gewesen, als gäbe es nur sie beide auf der Welt und als würden sie ein Geheimnis miteinander teilen, von dem niemals jemand etwas erfahren würde.
    Auch nachdem er sie später an die Kette gelegt hatte und gegangen war, hatte er noch einmal heimlich gelauscht. Da hatte sie gleich als Erstes gepinkelt, er hatte deutlich ihren Urin in den Eimer plätschern hören. Das war nicht so schön gewesen, hatte ihn aber trotzdem irgendwie erregt.
    Jetzt holte er die Zwergenmaske aus dem Versteck unter dem Vordach und schob sie sich übers Gesicht. Diesmal schien sie zu schlafen, als er die Tür aufmachte. Im ersten Moment war er irritiert, als er sie nicht in der üblichen Ecke hocken sah, sie hatte sich unter dem Tisch zusammengekauert und lag so reglos, dass er fast Angst hatte, sie könnte nicht mehr leben. Jede Vorsicht außer Acht lassend, war er mit zwei schnellen Schritten bei ihr, um sich zu bücken und nach ihrem Puls zu fassen.
    Gleich darauf durchzuckte der Schmerz seinen Fuß, er konnte deutlich spüren, wie der Nagel den Turnschuh durchbohrte und kurz vor dem Ballen in die Fußsohle eindrang. Es war einer dieser Nägel, wie sie überall zum Hausbau verwendet wurden, zehn Zentimeter lang und mit einer scharfgratigen Spitze. Unwillkürlich versuchte er, den Fuß zurückzuziehen, kam dabei aber aus dem Gleichgewicht und rammte sich den Nagel noch tiefer ins Fleisch, bis er die Spitze oben aus dem Turnschuh stechen sah und vor Schmerzen schrie.
    Das Letzte, was er hörte, war das Lachen der kleinen Schlampe, mit dem sie sich unter dem Tisch aus seiner Reichweite rollte, dann wurde ihm schwarz vor Augen und er brachauf dem Fußboden zusammen, festgenagelt wie ein Tier, das sich in einer Fallgrube selbst aufgespießt hat.
    Natürlich wusste er inzwischen, was passiert sein musste. Sie hatte das sorgfältig geplant, Zeit genug hatte sie ja gehabt, und die Kette hatte

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